Papst Franziskus regiert mit großen Zeichen – darin ist er am stärksten. Doch im neunten Jahr seines Pontifikats ist für viele undurchschaubar geworden, in welche Richtung er die Kirche steuern will.
Wo ist der Papst? Über diese Frage hat sich Rom, durchaus beunruhigt, am Gründonnerstag den Kopf zerbrochen. Dass er den Festgottesdienst im Petersdom, das Gedenken an das Letzte Abendmahl und damit die „Urmesse“ der Christenheit schlechthin, ausfallen lassen würde, war nicht weiter überraschend. Das hat Franziskus jedes Jahr gemacht, um unter Jesu Motto: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt . . .“ gesellschaftlich Ausgegrenzten die Füße zu waschen. In ganz unfeierlicher Umgebung. In Gefängnissen, Krankenhäusern, Heimen für Asylwerber.
Dieses Jahr wusste niemand von einem „Ausflug“ dieser Art. Erst danach, am Abend, stellte sich heraus, dass Franziskus still und leise doch wieder unterwegs war, an die Grenze oder über die Grenze dessen hinaus, was ein Papst „so tut“. Er zog gewissermaßen nach Canossa, in die Privatwohnung von Angelo Becciu, um die große Gründonnerstagsmesse ausgerechnet mit jenem Kardinal zu feiern, den er in jähem abendlichen Zornesausbruch vor sechs Monaten gedemütigt und gefeuert hatte. Becciu war beschuldigt worden, mehrere Hundert Millionen Euro Kirchengeld unterschlagen, verschwendet, veruntreut zu haben.