Die Impfkampagne in den USA läuft auf Hochtouren. Ein Hauch von Normalität liegt in der Frühlingsluft – und New York steht vor einem Comeback.
Vor der Pandemie strömten die Menschen zu Automessen oder Konzerten in das Javits Convention Center an der Westseite Manhattans. Nun, ein Jahr nachdem die größte US-Stadt an dem Corona-Ausbruch zu zerbrechen drohte, kehren die New Yorker in die gewaltige Messehalle zurück: zum Impfen. Sechs Schlangen formen sich an diesem Frühlingstag, der Himmel ist blau, die Stimmung ausgelassen, viele machen Selfies mit ihren Mobiltelefonen. Soldaten sorgen für einen reibungslosen Ablauf, an 163 Impfstationen wird der Pfizer-Impfstoff verabreicht. „Heute impfen wir hier 7931 New Yorker“, steht auf einem gelbblauen Schild.
Für viele Bewohner der Metropole ist es ein äußerst emotionaler Moment. Zumindest 20 Prozent der New Yorker sind innerhalb des vergangenen Jahres an Corona erkrankt, mehr als 30.000 haben ihr Leben verloren. Dass nun ausgerechnet das Javits Convention Center als eine der größten Impfstellen dient, hat auch symbolischen Charakter. Im April 2020, als die Krankenhäuser der Stadt aus allen Nähten platzten, ließen die Behörden den Gebäudekomplex am Hudson River in eine riesige Intensivstation mit Beatmungsgeräten verwandeln. Die Verzweiflung ist den New Yorkern noch in Erinnerung. Langsam kehrt nun wieder die Hoffnung zurück.
„Heute ist einer der unbeschreiblichsten Tage meines Lebens“, sagt der 34-jährige Antonio. Sein Vater und seine Großmutter sind an dem Virus gestorben. Jetzt bekommt der Doorman in einem der Wolkenkratzer bereits seine zweite Dosis. Er spricht von einer „Achterbahnfahrt der Emotionen“, und die meisten New Yorker können es ihm nachempfinden. Nur wenige haben im Vorjahr an ein Comeback der schwer verwundeten Millionenstadt geglaubt. Dank der zügig voranschreitenden Impfkampagne in den USA könnte es schneller als erwartet über die Bühne gehen. Mit dem Frühling und einer fast lückenlos geimpften älteren Bevölkerung ist auch das Lebensgefühl in den „Big Apple“ zurückgekehrt. „New York erwacht wieder“, gibt sich Antonio optimistisch.
Mit Stand Ende März hat in den USA knapp ein Drittel der Bevölkerung zumindest eine Dosis der drei zugelassenen Impfungen von Pfizer, Moderna oder Johnson & Johnson erhalten. Insgesamt wurden seit Beginn der Kampagne im Dezember etwa 150 Millionen Dosen verabreicht. Mehr als 15 Prozent der Amerikaner haben entweder beide Impfungen von Pfizer oder Moderna beziehungsweise die Vakzine von Johnson & Johnson, bei der nur eine Dosis nötig ist, erhalten. Als Folge der Durchimpfung der Älteren geht die Zahl der Toten deutlich zurück, auch wenn jene der Neuinfizierten zuletzt wieder auf täglich mehr als 50.000 gestiegen ist. „Wir befinden uns auf dem richtigen Weg“, glaubt Präsident Joe Biden, der davon ausgeht, dass spätestens im Mai jeder erwachsene Amerikaner eine Impfung bekommen kann.