Nordkorea: Diktator Kim versammelt die Genossen

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Vor einer großen Parteikonferenz der nordkoreanischen Arbeiterpartei in der nächsten Woche sprießen die Gerüchte: Wird Kim Jong-un, Sohn des 68-jährigen Diktators Kim Jong-il, als sein Nachfolger installiert?

SEOUL/wien. Die nordkoreanische Arbeiterpartei hat die bereits vor zwei Wochen angekündigte, dann aber ohne Angaben von Gründen wieder verschobene Parteikonferenz nun für den 28. September angesetzt. Und wieder sprießen die Spekulationen, schwirren die Gerüchte: Geht es dem gesundheitlich angeschlagenen 68-jährigen Diktator Kim Jong-il vor allem darum, von dieser Delegiertenversammlung seinen jüngsten Sohn, Kim Jong-un (angeblich 27 Jahre alt), als seinen Nachfolger installieren zu lassen? Oder haben andere Mitglieder der Familie Kim beziehungsweise enge Vertraute des Machthabers die besseren Chancen, Kim Jong-il zu beerben?

Schon die unbegründete Verschiebung der Parteikonferenz gab Nordkorea-Beobachtern Rätsel auf: Waren die von einem Taifun Anfang September verursachten Überschwemmungen und Vermurungen der Grund für die Verschiebung? Hat sich Kim Jong-ils Gesundheitszustand vorübergehend verschlechtert? Oder tobt hinter den Kulissen ein beinharter Machtkampf um die Nachfolge, möglicherweise sogar in der Familie des Diktators selbst?

Erst vergangene Woche sagte der im State Department für Ostasien und die Pazifikregion zuständige Spitzendiplomat Kurt Campbell vor dem US-Senat: „Grundsätzlich ist Nordkorea nach wie vor eine große Unbekannte. Mitunter bekommen wir einen flüchtigen Einblick, erhalten ein paar nachrichtendienstliche Hinweise. Aber die Wahrheit ist, dass sich im Rückblick die vorliegenden Geheimdiensterkenntnisse öfters als falsch erwiesen haben. Nordkorea ist ein sehr, sehr hartes Zielland, möglicherweise das härteste in der gesamten globalen Arena.“

Der unbekannte Lieblingssohn

Campbell ließ sich in der Senatsanhörung auch nicht auf Spekulationen ein, ob Kim Jong-un tatsächlich der nächste starke Mann Nordkoreas sein werde. Kein Wunder: Vom jüngsten Sohn Kim Jong-ils gibt es nicht einmal ein genaues Geburtsdatum. In den spärlichen Informationen über ihn heißt es, Kim Jong-un habe in der Schweiz eine Privatschule besucht, habe auch eine militärische Ausbildung abgeschlossen, sei der Lieblingssohn von Kim Jong-il und genauso rücksichtslos wie dieser.

Kim Jong-il selbst soll chinesischen Führern gegenüber – erst Ende August traf er mit Staats- und Parteichef Hu Jintao in Nordostchina zusammen – gesagt haben, dass Meldungen über ein mögliches Aufrücken seines Sohnes „im Ausland gestreute falsche Gerüchte“ seien. Mittlerweile sind sich auch ausländische Beobachter nicht mehr so sicher, dass Kim Jong-un bereits bei der Parteikonferenz in eine Spitzenposition gehievt werde. Möglicherweise werde er „nur“ ein neues Mitglied des Zentralkomitees der nordkoreanischen Arbeiterpartei.

Wer aber könnte dann in den innersten Kreis der Macht vorrücken? Der frühere japanische Verteidigungsminister Yuriko Koike tippt auf Kim Kyong-hui, die Schwester Kim Jong-ils, derzeit in der Partei für Leichtindustrie zuständig. Auch deren Ehemann Jang Song-thaek ist erst im Juni zum stellvertretenden Vorsitzenden der Nationalen Verteidigungskommission befördert worden und damit nach Kim Jong-il die Nummer zwei in diesem Gremium. Wie im nordkoreanischen Machtgefüge die Gewichte zwischen dem Militär und der Partei verteilt sind, ist ebenfalls nicht bekannt. Immerhin ist die Delegiertenkonferenz am 28. September die erste große Versammlung der kommunistischen Parteielite seit 30 Jahren. Möglicherweise deutet das darauf hin, dass die Rolle der Partei gegenüber dem Militär wieder aufgewertet werden soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.09.2010)

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