Online-Filmschau

Tribut an einen Anti-Algorithmiker des Films

Punto de Vista
  • Drucken

Der legendäre Wiener Filmvermittler Amos Vogel wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Eine von den ehemaligen Filmmuseumsleitern kuratierte Schau würdigt sein Wirken, das lustvoll Grenzen sprengte.

Im Jahr 1980 versuchte sich Amos Vogel bei einer Vorrede zu einem von ihm präsentierten Filmprogramm an einer kulturellen Bestandsaufnahme: Wir leben, so meinte er, in einer zunehmend „visuellen“ Welt. Auch abseits des Kinos sind wir Bilderflüssen ausgesetzt, die primär kommerziellen Interessen folgen. Die Filmindustrie, die längst von globalen Kommunikationskonzernen als Nebengeschäftszweig geführt wird, unterliegt einem enormen Effizienzdruck. Das führt zu inhaltlicher und ästhetischer Nivellierung, zu immer größeren, immer teureren Produktionen, die vorwiegend auf Spektakel setzen und sich Risken nicht leisten können. Ihre Beschaffenheit bestimmen keine kreativen Einzelkräfte, sondern Unternehmensgremien: „Filmmaking by Committee“, wie Vogel es nannte.

Falls Ihnen diese Einschätzung bekannt vorkommt, liegt das daran, dass sich die Situation des Filmbetriebs in den vergangenen 40 Jahren kaum verändert hat. Vielmehr hat sie sich weiter zugespitzt: Trotz (und teilweise auch wegen) des Aufstiegs der Streaming-Anbieter schreitet die Konsolidierung des Marktes voran, und wenn Corona nicht wäre, würden die Studios weiterhin Abermillionen in überfrachtete Blockbuster buttern, die als „tentpoles“ (sprich: Zeltstangen) ihre Umsatzzelte vor dem Einsturz bewahren sollen. Es klingt vielleicht zynisch, aber: Schade, dass Vogel, der 2012 verstorben ist, das nicht mehr erleben durfte. Denn als unermüdlicher Verfechter des freien, künstlerischen, ganz und gar nicht marktorientierten Films hätte er sich von dieser Entwicklung nicht entmutigen lassen. Schnöder Kulturpessimismus war ihm abhold.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.