Corona

Impfplan unverändert: AstraZeneca wird in Österreich weiter eingesetzt

Die EMA hatte zuvor auf die extreme Seltenheit von Blutgerinnseln im Vergleich zum Risiko durch Covid-19 verwiesen.
Die EMA hatte zuvor auf die extreme Seltenheit von Blutgerinnseln im Vergleich zum Risiko durch Covid-19 verwiesen.APA/AFP/JOE KLAMAR
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Der österreichische Impfplan bleibt unverändert, wie in einer Videokonferenz zwischen Bund und Ländern entschieden wurde. AstraZeneca wird somit in allen Bundesländern und für alle Altersgruppen weiterhin eingesetzt.

Der Corona-Impfstoff von AstraZeneca wird weiterhin in allen Bundesländern für alle Altersgruppen eingesetzt. Das ist das Ergebnis einer Videokonferenz des Gesundheitsministeriums mit den Landesgesundheitsreferenten am Donnerstagvormittag. Damit bleibt der österreichische Impfplan unverändert, teilte das Gesundheitsministerium mit. Die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) hatte zuvor einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und sehr seltenen Thrombose-Fällen festgestellt.

Die Gesundheitspolitiker aus Bund und Ländern folgten damit den Empfehlungen der EMA und des Nationalen Impfgremiums (NIG) vom Vortag. "Ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis wurde in allen Altersgruppen und bei Personen jeden Geschlechts bestätigt", hieß es in einer Aussendung des Gesundheitsministeriums. "Daher wird auch weiterhin jeder zugelassene Impfstoff für alle Personengruppen empfohlen." Dies gelte "auch für junge Menschen, die zwar seltener intensivmedizinisch behandelt werden müssen, aber auch von schweren und langfristigen Folgen einer Covid-19-Erkrankung betroffen sein können".

Eine "individuelle Auswahl des Impfstoffes" ist nicht vorgesehen, betonte das Ministerium. Um seltene mögliche Impfnebenwirkungen bestmöglich zu behandeln, sei von Gerinnungsexperten eine Vorgangsweise zur Diagnostik und Therapie bei Gerinnungsstörungen/Thrombosen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Impfung erarbeitet worden, das dem medizinischen Fachpersonal zur Verfügung gestellt werde.

AstraZeneca-Debatte „ein bisschen unverdient"

Der Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca sei "ein guter Impfstoff, den wir brauchen", hatte die Direktorin für die Öffentliche Gesundheit, Katharina Reich, im Ö1-Morgenjournal betont. Das Bild des Vakzins nach außen habe allerdings leider "wirklich gelitten", räumte die im NIG vertretene Medizinerin ein. Der Imageverlust sei offensichtlich, meinte Reich. "Das ist so nicht mehr rückgängig zu machen" und sei "ein bisschen unverdient", auch wenn sich tatsächlich die meisten Diskussionen und Rätsel um das Vakzin von AstraZeneca gerankt hätten.

Ein Verzicht auf den Impfstoff - der einen wichtigen Bestandteil des österreichischen Impfprogramms darstellt - oder eine Einschränkung auf bestimmte Personengruppen hätten "eine komplette Umstellung dieses Impfplans zur Folge", wodurch "sich ganz sicher Verzögerungen ergeben würden", und "Verzögerungen können wir uns alle, egal, wie viel Impfstoff da ist, derzeit nicht leisten", betonte Reich. "Wir wollen schnell vorankommen."

Auch WHO für weitere Verwendung

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich am Mittwoch vorerst für die weitere Verwendung des Impfstoffs ausgesprochen. Nach aktueller Datengrundlage scheine ein Zusammenhang mit Thrombosen zwar plausibel, aber nicht bestätigt, teilten die Experten des Impfkomitees der WHO am Mittwochabend mit. Es bedürfe noch weiterer Studien, um eine mögliche Verbindung zwischen Impfung und etwaigem Risiko zu untersuchen.

Derzeit gibt es keine gemeinsame Linie zu AstraZeneca in der EU. Die EU-Gesundheitsminister haben sich am Abend bei einer virtuellen Sondersitzung nicht auf eine gemeinsame Empfehlung zum Umgang mit dem Corona-Impfstoff von AstraZeneca einigen können. Damit herrschen in den Mitgliedsstaaten weiter unterschiedliche Vorgaben. In Österreich finden Donnerstagvormittag seitens des Gesundheitsministeriums Beratungen mit den Gesundheitsreferenten der Bundesländer zur weiteren Vorgehensweise mit dem Impfstoff statt.

Italien folgt deutschem Beispiel

Unterdessen ändert Italien seine Impfrichtlinien und empfiehlt das Präparat von Astrazeneca jetzt für Menschen über 60 Jahre - wie es Deutschland bisher getan hat. Aber auch dort wird betont, dass der Impfstoff in Italien weiter als ein sehr gutes Mittel eingestuft werde. Frankreich empfiehlt das Präparat

Die britische Impfkommission JCVI (Joint Committee on Vaccination and Immunisation) wollte sich nicht festlegen, was die Ursache der Blutgerinnsel ist. Sie passte jedoch ihre Empfehlung für Menschen unter 30 Jahren an, die nun ein anderes Vakzin verabreicht bekommen sollen, hieß es am Mittwoch.

In Großbritannien sind nach Angaben der Arzneimittelbehörde MHRA bisher 79 Fälle von seltenen Blutgerinnseln nach Impfungen mit dem AstraZeneca-Präparat aufgetreten. Dabei kam es zu 19 Todesfällen. Junge Menschen sind dabei überproportional stark betroffen. Ein direkter Zusammenhang mit dem Impfstoff konnte laut Impfkommission zwar noch nicht nachgewiesen worden. Aber angesichts des geringeren Risikos für jüngere Menschen an Covid-19 zu sterben, habe man diese Abwägung getroffen, hieß es.

EMA: Nutzen „deutlich höher“ als Risiko

Die Experten der EMA stellten einen Zusammenhang zwischen Impfstoff und Thrombosen fest, wenn gleichzeitig eine sehr geringe Zahl von Blutplättchen vorhanden war. Dies trete allerdings sehr selten auf. Die Behörde hält damit weiterhin an ihrer Bewertung des Präparates fest. "Der Nutzen des Wirkstoffes bei der Bekämpfung von Covid-19 ist deutlich höher zu bewerten als die Risiken", sagte EMA-Chefin Emer Cooke am Mittwoch in Amsterdam.

Unklar ist, was für Folgen die EMA-Entscheidung nun für die Impfungen in den EU-Mitgliedstaaten haben wird. Mehrere EU-Länder hatten zuvor den Einsatz des Impfstoffes auf Personen ab 60 Jahre eingeschränkt. Konkret geht es vor allem um seltene Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen nach einer AstraZeneca-Impfung.

Die EMA hatte im März eine Expertengruppe eingesetzt. Sie hatte zunächst keinen Zusammenhang mit der Impfung festgestellt. Die Untersuchung war aber fortgesetzt worden. Die Experten vermuten, dass es sich um eine sehr seltene Immun-Reaktion handelt. Die meisten Fälle waren den Angaben zufolge etwa zwei Wochen nach der Impfung aufgetreten. Anders als in Großbritannien stellten die EMA-Experten keine besonderen Risikofaktoren wie Alter oder Geschlecht fest.

EMA beziffert Risiko auf 1:100.000

Geimpften riet die EMA, auf das Risiko der sehr seltenen Blutgerinnsel zu achten. Patienten sollten sofort einen Arzt aufsuchen, wenn sie die folgenden Symptome haben: Kurzatmigkeit, Brustschmerzen, Schwellung im Bein, anhaltende Bauchschmerzen, neurologische Symptome einschließlich schwerer und anhaltender Kopfschmerzen oder verschwommener Sicht sowie winzige Blutflecken unter der Haut über die Injektionsstelle hinaus.

Die Häufigkeit gemeldeter Zwischenfälle mit Blutgerinnseln im Gehirn gaben die EMA-Experten am Mittwoch mit ungefähr eins je 100.000 an. Es hänge sehr davon ab, wie gut die Meldesysteme seien.

Der Impfstoff mit dem nunmehrigen Marktnamen Vaxzevria hatte Ende Jänner eine bedingte Marktzulassung für die EU erhalten. Danach ist der britisch-schwedische Hersteller weiterhin verpflichtet, alle Daten zu möglichen Nebenwirkungen weiterzuleiten.

2,6 Millionen seien mit Covid-19 gestorben

Die WHO hatte am Abend darauf hingewiesen, dass die Vorfälle angesichts von inzwischen weltweit 200 Millionen mit AstraZeneca geimpften Menschen sehr selten seien. Demgegenüber seien inzwischen 2,6 Millionen Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. "Die Verabreichung von Impfstoffen basiert auf einer Kosten-Nutzen-Analyse", so die WHO-Experten. Das Komitee werde nächste Woche erneut beraten.

(APA/Red.)

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