Ungarisches Staatsfernsehen greift "Profil"-Journalistin an

Ein Mail an eine österreichische Journalistin in der ungarischen Hauptnachrichtensendung.
Ein Mail an eine österreichische Journalistin in der ungarischen Hauptnachrichtensendung.(c) Screenshot
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Die Journalistin soll EU-Abgeordnete von der Fidesz "mit Fragen provoziert" haben. Außenminister Schallenberg sagte, der Umgang mit ihr sei unvertretbar.

Das ungarische Staatsfernsehen hat in einem Beitrag seiner Hauptnachrichtensendung am Mittwochabend eine österreichische Journalistin namentlich attackiert. Franziska Tschinderle vom Wochenmagazin "Profil" habe EU-Abgeordnete der ungarischen Regierungspartei Fidesz "mit Fragen provoziert", hieß es. Unterstützung für Tschinderle äußerten Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), die Grünen, die SPÖ, die Neos und Journalistenorganisationen.

Screenshots von E-Mails

In dem dreiminütigen Beitrag im Staatssender M1 wurden mehrere Screenshots von E-Mails gezeigt, die die Journalistin an die Fidesz-Delegation im Europaparlament geschickt hatte. Darin ging es unter anderem um das vor einer Woche erfolgte Treffen von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán mit dem Chef der italienischen Partei Lega, Matteo Salvini, und Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki bezüglich der Gründung einer neuen politischen Kooperation.

Tschinderle hatte unter anderem gefragt, warum Vertreter des französischen Rassemblement National (RN) und der österreichischen FPÖ - die beide mit der Lega in der rechtspopulistischen ID-Fraktion des Europaparlaments sitzen - bei dem Treffen nicht anwesend waren. Der Moderator des TV-Beitrags kommentierte das mit den Worten: "Solche Fragen stellen nur Amateurjournalisten." Letztlich habe die Fidesz-Delegation eine Beantwortung der Fragen abgelehnt, da diese "keine richtigen Fragen" gewesen seien, berichtete der Sender.

Botschafter verständigt

Schallenberg twitterte am Donnerstagnachmittag zu dem Fall: "Kritische Fragen zu stellen, ist Kernaufgabe von Medien. Der Umgang durch #M1 mit @tschinderle ist daher unvertretbar." Er selbst habe sofort mit dem ungarischen Außenminister Péter Szijjártó telefoniert. Auch der österreichische Botschafter in Budapest, Alexander Grubmayr, werde "diese Position in aller Deutlichkeit darlegen".

Tschinderle reagierte auf die Angriffe ihrerseits mit den Worten: "Pressesprecher werden dafür bezahlt zu kommunizieren. Doch sie haben die Fragen nicht beantwortet, sondern an ein (der ungarischen Regierung, Anm.) sehr stark nahestehendes Medium weitergeleitet", sagte sie am Donnerstag. Sie habe den Eindruck, dass der Fall auch im "kritischen Lager" in Ungarn als "Zäsur" wahrgenommen worden sei, weil nun bereits "das reine Stellen von Fragen" an den Pranger gestellt werde. Die Journalistin sieht es nun am wichtigsten an, "dass Journalisten und Journalistinnen gemeinsam Flagge zeigen. Das betrifft nicht nur mich", so die "profil"-Mitarbeiterin. Sie erinnerte: "Ungarischen Kollegen passiert das jeden Tag."

SPÖ, Neos und die Grünen sowie Journalistenorganisationen wie "Reporter ohne Grenzen" oder der Presseclub Concordia gaben sich einhellig entsetzt über die Attacke eines ungarischen Staatsmediums gegen eine österreichische Journalistin. Dass Journalisten, wenn sie ihren Job machen, öffentlich an den Pranger gestellt werden, sei "ein inakzeptabler Anschlag auf die Medienfreiheit", sagte der SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried.

"Der Versuch, kritischen Journalismus über den verlängerten Arm der ungarischen Regierung - das Staatsfernsehen - zu unterbinden und ins Lächerliche zu ziehen, ist untragbar. Wir fordern eine Entschuldigung seitens des Senders", so "Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich"-Präsidentin Rubina Möhring. Der Presseclub Concordia twitterte wiederum: "Der Moderator des TV-Beitrags kommentierte die Anfrage von @tschinderle an Fidesz mit den Worten: 'Solche Fragen stellen nur Amateurjournalisten.' Mitnichten, aber solche schmierigen Beiträge sendet wohl nur das orbanisierte Staatsfernsehen."

Der Beitrag auf Ungarisch:

(APA)

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