Waldökologie

Aufbäumen gegen den Klimawandel

Der Baumstand Äthiopiens wurde durch Rodungen empfindlich dezimiert.
Der Baumstand Äthiopiens wurde durch Rodungen empfindlich dezimiert.Reuters
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Mit österreichischem Know-how werden in Äthiopien Wälder aufgeforstet, um das Voranschreiten des lokalen Klimawandels zu bremsen - und damit Dürreperioden und Hungersnöten

Auf der einen Seite Naturwunder, wie die eindrucksvollen Viertausender-Gipfel des Unesco-Weltkulturerbes Simien-Nationalpark, auf der anderen Seite riesige Flächen mit ausgelaugten Böden, auf denen außer Gräsern kaum etwas gedeiht – so gegensätzlich präsentiert sich die Landschaft Äthiopiens. Viele von uns verbinden mit dem Land am Horn von Afrika jedoch die erschreckenden Bilder von abgemagerten Kindern, die regelmäßig in den Nachrichten zu sehen sind.

Die Hungersnot, unter der Teile der Bevölkerung leiden, ist nicht zuletzt Folge eines Teufelskreises: Wo bis vor wenigen Generationen Wälder in einer Artenvielfalt wie kaum anderswo standen, wurde gerodet, um Ackerfläche zu schaffen. Das wiederum führte zu Bodenerosion, dem Verlust der Biodiversität und klimatischen Veränderungen mit noch intensiveren Dürren. Bäume, die diese Prozesse stoppen könnten, findet man kaum – mit Ausnahme des genügsamen australischen Eukalyptus, der in einer Art Notaufforstungsprogramm vor Jahrzehnten hier angesiedelt wurde. Dass jedoch in der Region Amhara auch wieder einst heimische Bäume wachsen, ist unter anderem Wissenschaftlern der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien zu verdanken. Im Rahmen eines Forschungsprogramms begannen sie vor zwei Jahren mit Pflanzungen: Steineiben, Schneeflockensträucher, afrikanische Akazien- und Ölbaum-Arten. „Ziel ist, dass diese Bäume nicht nur auf den von uns kultivierten Flächen, sondern in weiten Teilen der Hochebene wieder angesiedelt werden“, sagt Projektleiter Douglas Godbold vom Institut für Waldökologie.

Boku-Absolventen als Multiplikatoren

Damit das gelingt, musste einiges an Grundlagenforschung betrieben werden. „Basiswissen wie etwa die Frage, wie lang die Samen keimfähig sind, war als lokale mündliche Überlieferung vorhanden, aber nicht niedergeschrieben und verfügbar“, erklärt Godbold. Wichtig sei auch gewesen, Arten zu setzen, die einander im Wachstum begünstigen. Dieses Wissen wurde gesammelt und zusammen mit forstwirtschaftlichem Know-how an afrikanische Studierende in Wien weitergegeben. Sie fungieren mittlerweile in Äthiopien gemeinsam mit weiteren Boku-Absolventen als Multiplikatoren. „Unsere ehemaligen Doktoranden organisieren das Projekt, haben vor Ort ein Netzwerk an Flächenbetreuern aufgebaut und an der Universität von Bahir Dar Waldbaukurse eingeführt.“ Das Landwirtschaftliche Forschungsinstitut der Regionalhauptstadt ist mit an Bord, und auch das Interesse der Bevölkerung sei groß.

Das Vorhaben sei jedoch von Schwierigkeiten begleitet, berichtet Godbold. „Nicht nur Corona schränkt die Möglichkeiten ein, nach Bahir Dar zu reisen. Die politische Instabilität des Landes macht Fahrten nach Äthiopien zur Gefahr.“ In der nördlichen Region Tigray sind erst vor wenigen Wochen wieder offene kriegerische Auseinandersetzungen zwischen der Zentralregierung und der lokalen Volksbefreiungsfront, in die sich auch Truppen und Miliz des Nachbarlandes Eritrea einmischten, entflammt. Hilfsorganisationen können oft nicht zur Zivilbevölkerung gelangen, und auch den Forschern sei „dringend von einer Reise abgeraten“ worden. Dabei wäre gerade jetzt eines der kurzen Zeitfenster gewesen, in denen sie ihr Projekt hätten vorantreiben können.

„In dieser Klimazone gibt es zwei Regenzeiten, in denen Pflanzungen möglich sind“, sagt Godbold. „Eine im Februar und März, die andere zwischen Juni und August.“ Diese Bedingungen schränken die Arbeit der Wissenschaftler weiter ein. „Wir müssen die Jungpflanzen so wählen und vorbereiten, dass sie die anschließende Trockenperiode überstehen. Einfach säen und abwarten, das funktioniert nicht.“ Letztlich seien die Wildtiere eine Gefahr für die noch zarten Bäume. „Es ist schon passiert, dass eines Morgens trotz Umzäunung alles weggefressen war.“

Nun hoffen die Boku-Forscher auf eine Verlängerung des im Sommer auslaufenden Projekts, damit in den Hochebenen Äthiopiens wieder jene Waldgebiete entstehen, die es früher dort gab – und damit der Klimawandel mit Dürreperioden und damit einhergehenden Hungersnöten nicht noch weiter begünstigt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2021)

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