Zeichen der Zeit

Und das in der Musikstadt Wien?

Die Fenster müssen geschlossen sein! Wehe, ein Ton dringt aus dem Konservatorium ins Freie. Über Wiener Verbote.
Die Fenster müssen geschlossen sein! Wehe, ein Ton dringt aus dem Konservatorium ins Freie. Über Wiener Verbote.Imago Images
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Die Fenster müssen geschlossen sein! Wehe, ein Ton dringt aus dem Konservatorium ins Freie. Über Wiener Verbote.

In der Auslage eines Altwarenhändlers im französischen Flandern, in Lille, habe ich ein Schild aus alter Zeit gesehen: „Il est interdit de parler flamand et d'uriner sur les murs.“ Flämisch sprechen und an die Mauer urinieren ist verboten.“ Was für eine Infamie! Die Académie de Lille kombinierte da das Redeverbot mit einer als niedrig empfundenen Tätigkeit, um zu suggerieren: Wer Flämisch spricht, pinkelt auch gegen Schulmauern.

In Wien sah ich Folgendes: „Es ist polizeilich verboten, bei geöffnetem Fenster zu unterrichten.“ Harmlos, scheinbar, und dennoch ein Schlag in die Magengrube: Die Polizei hat also die Macht, Wort- oder Klangfetzen, die ins Freie dringen, die nicht in den vier Wänden bleiben, in die sie behördlicherseits eingesperrt waren, gewissermaßen abzuführen. Besser: dafür zu sorgen, dass sie gar nicht erst entwischen. Der Satz stand in großen Lettern auf einem Aushang am Fenster eines der Proberäume des „Konservatoriums für Musik und dramatische Kunst m. Öffentlichkeitsrecht, Mühlgasse 28–30, 1040 Wien“. Das verlautbarte der runde Stempel mit der Lyra im Zentrum des Zettels, der die Dringlichkeit des polizeilichen Verbots betonte.

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