Wiener Institutionen

Wien ohne Touristen: Wenn die Ausnahme zur Routine wird

Nach mehr als einem Jahr Ausnahmezustand hat sich auch in Wien so etwas wie Routine eingestellt. »Die Presse am Sonntag« fragt mittlerweile zum vierten Mal bei Wiener Institutionen nach, wie es ihnen geht – und ab wann sie Normalität erwarten. Die Stimmung bei den Hoteliers, Gastronomen, Museumsdirektorinnen und Touristikern war schon einmal schlechter.

(c) Die Presse

Museen: »Es hat sich gerade erst alles wieder eingespielt – das ist ein großer Dämpfer«

Knapp zwei Monate liegen zwischen der letzten Wiedereröffnung und der erneuten Schließung der Museen. Eine Zeit, in der diese einen kleinen Ansturm erlebt haben, erzählen Karola Kraus, Direktorin des Mumoks, und KHM-Chefin Sabine Haag.

Keinen einzigen Tag hatte das Mumok vor der Coronakrise geschlossen, 365 Tage im Jahr konnten Besucher durch das Museum spazieren. „Ich bin jeden Tag in ein vibrierendes Haus gekommen“, erzählt Museumsdirektorin Karola Kraus. Mittlerweile sind die coronabedingten Schließungen fast zur Routine geworden – mit Ostern musste das Haus erneut seine Pforten schließen. Aber: „Auch im vierten Lockdown ist ein leeres Museum für mich ein trauriger Anblick, an den ich mich nie gewöhnen werde.“ Im erneuten Lockdown ist die anfängliche Schockstarre jedenfalls vorbei: „Das Mumok versucht, die Zeit möglichst effektiv zu nutzen, derzeit finden unter anderem Sanierungsarbeiten statt.“ Und die neuen Ausstellungen werden vorbereitet. Bei der Frage, ob der derzeitige Öffnungstermin des Mumoks am 20. April wohl halten werde, gibt sich Kraus zurückhaltend: „Hier gibt allein der Virus das Tempo vor, aber ich hoffe natürlich sehr auf eine schnellstmögliche Wiedereröffnung des Hauses.“

Erst knapp zwei Monate ist es her, dass zuletzt wiedereröffnet worden ist. Damals beobachtete Kraus einen positiven Effekt. „Mein Team und ich haben mit einer gewissen Zurückhaltung seitens des Publikums gerechnet, sind aber tatsächlich von einem kleinen Ansturm kunsthungriger Besucher und Besucherinnen überrascht worden“, erzählt die Museumschefin. Mit den Sicherheitsmaßnahmen sei dieser aber problemlos zu bewältigen gewesen. Ähnliches hat auch Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums, zu berichten: „Diese unmittelbare Phase nach dem dritten Lockdown habe ich in sehr positiver Erinnerung“, erzählt sie. „Museen boten sich als wunderbare Orte an, an denen man sich wieder begegnen und etwas unternehmen konnte, ganz wetterunabhängig. Man kann ja nicht immer nur zu Hause sitzen oder spazieren gehen.“ Der „große Renner“ sei das Weltmuseum Wien mit der Azteken-Ausstellung, für die Timeslots an Besucher vergeben wurden, gewesen. „Sehr gut angenommen wurde auch die Ausstellung ,Coronas Ahnen‘, in der wir uns mit der Geschichte der Seuchen am Wiener Hof beschäftigt hatten und die in der Pandemiezeit sehr schnell entwickelt worden war.“ Besonders erfreulich sei der auffallend hohe Anteil an jungen Besuchern gewesen. „Das war bei uns, aber auch in anderen Museen zu beobachten“, sagt Haag.

Die ersten Monate des Jahres, die auf den Lockdown folgten, seien also besser als erwartet angelaufen. „Wir bedauern die Schließung deshalb unglaublich. Jetzt hat sich das gerade erst alles wieder so schön eingespielt – das ist ein großer Dämpfer“, sagt Haag. Die digitalen Angebote könnten nur bedingt gegen die Sehnsucht nach Museen helfen: „Jedes noch so gute digitale Angebot kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Menschen in ihren sozialen Begegnungen verarmt sind.“ Das sieht auch Kraus so: „Ein Museum ist ein physischer sozialer Ort, an dem das gemeinsame Erlebnis im Vordergrund steht. Die Atmosphäre spielt eine Rolle, das architektonische Setting, das Display, das Licht, der Sound – das lässt sich digital schwer erleben.“

Trotz allem Zustroms der Einheimischen – dass die Touristen fehlen, bekommen Museen deutlich zu spüren. Im Mumok gab es etwa vor der Krise einen Touristenanteil von 64 Prozent. Im Vorjahr gab es nun im Vergleich zu 2019 einen Besucherrückgang von 60 Prozent.

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