Glaubensfrage

Plädoyer für die Kirche vor Ort

Symbolbild
Symbolbild(c) Clemens Fabry, Presse
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Wozu Pfarren? Eine seltsame Frage? Die Kirche stellt sie sich bei einem Kongress.

Kirche und Pfarre können schon einmal gern mit alt, überkommen, museal assoziiert werden. In jüngerer Vergangenheit haben einzelne Bischöfe den Eindruck erweckt, Pfarren seien ein Auslaufmodell, die Zukunft gehöre (selbst ernannten) Super-Katholiken, die elitäre Gemeinschaften bilden.

Dass die auch weniger kritische Anfragen an Geweihte stellen, mag eine damit verbundene Hoffnung gewesen sein. Geht es den Pfarren jetzt tatsächlich an den Kragen? Am Montag, beim Start eines digitalen bundesweiten Pfarrgemeinderats-Kongresses, lautet die erste Frage: Wozu Pfarren?

In Österreich existieren noch immer mehr als 3000 Pfarren. Weshalb noch immer? Weil in allen Diözesen die Leitungen bemüht sind, Gemeinden zu größeren Einheiten zusammenzuschmelzen, einmal mit dem Etikett Seelsorgeraum, Pfarre neu oder Pfarrverband. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt, zum Missfallen einiger. Es sind nicht nur Widerstände, die allem Neuen entgegengebracht werden. Es ist auch ein Unverständnis, weshalb als bewährt erlebte Pfarrstrukturen angepasst werden und nicht umgekehrt die Bedingungen für die Weihe von Priestern. Das Ziel ist überall dasselbe: Pfarrstrukturen an grundlegend geänderte Bedingungen anzupassen, die da wären Rückgang der Zahl der Katholiken, der regelmäßigen Kirchgänger und natürlich nicht zuletzt auch der Priester.

Kurzer Rückblick: Maria Theresia begann, um Lutheraner zurückzudrängen, neue Pfarren zu errichten. Der Passauer Bischof, dessen Diözese bis Niederösterreich reichte, forderte, Messbesuchern sei zur nächsten Pfarrkirche maximal eine Gehstunde zumutbar. Unter der Voraussetzung hätte Wien nicht 150, sondern 15 Pfarren. Aber vergessen wir das bitte. Wir wollen den Eifer von Strukturreformern nicht anfeuern. Joseph II. schuf dann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jene Pfarr-Landkarte, die bis heute mehr oder weniger gilt.

Pfarren bilden ein Netzwerk von Nächstenliebe und Solidarität, wie es wohl Pastoraltheologen formulieren. Tatsächlich verdient diese unterste Organisationseinheit der Kirche mehr Aufmerksamkeit, mehr Unterstützung. Hier, direkt unter und bei den Menschen, nicht in Bischofshäusern oder im Vatikan, entscheidet sich täglich aufs Neue die Zukunftsfähigkeit von Kirche. Hier werden fast ausschließlich unbezahlt für den Zusammenhalt der Gesellschaft wichtige Leistungen erbracht. Hier öffnet sich Menschen nicht nur ein reiches, jahrhundertelang beackertes, fruchtbares Feld zum Stillen spirituellen Verlangens, sondern auch zum sozialen, kulturellen, ja sogar (warum eigentlich sogar?) politischen Handeln. Hier bilden Menschen quer durch alle Schichten Gemeinschaften, sorgen füreinander und im Idealfall für andere. Großes geschieht in den kleinen Einheiten. Auch wenn die Augen der Öffentlichkeit dafür blind sind.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2021)

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