Kindeswohlkommission

Griss zu Asylverfahren: "Kinder werden kaum berücksichtigt"

Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Neos-Abgeordnete, leitet nun die Kindeswohlkommission. (Archivbild)
Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Neos-Abgeordnete, leitet nun die Kindeswohlkommission. (Archivbild)(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Kinderrechte seien in Österreich zwar verfassungsrechtlich abgesichert, bei der Umsetzung würde die Achtung des Kindeswohls aber leiden, meint die Leiterin der neuen Kindeswohlkommission.

Wie steht es um die Kinderrechte bei Entscheidungen zum Asyl- und Bleiberecht? Dieser Frage soll die im Justizministerium angesiedelte „Kindeswohlkommission“ nachgehen. Die Kommission wurde Anfang Februar von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) eingesetzt, der zu diesem Zeitpunkt interimistisch die Justizministerin vertreten hatte. Anlass für die Kommission gaben die Abschiebungen von drei minderjährigen Mädchen nach Georgien und Armenien, die für Empörung der Opposition und in der Bevölkerung und in weiterer Folge zu Unstimmigkeiten in der Koalition geführt hatten.

Noch vor dem Sommer will die Kindeswohlkommission in einem Bericht Empfehlungen vorlegen, wie Kindeswohl und Kinderrechte in asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren stärker berücksichtigt werden könnten. Denn diese würden dort „eigentlich keine Rolle“ mehr spielen, meint die Vorsitzende der Kommission, die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofes Irmgard Griss in der gestrigen „ZiB 2“. Es müsste ein verbindliches Monitoring der Kinderrechte geben, schlug die frühere Neos-Abgeordnete in ihrer ersten Zwischenbilanz vor. 

„Kinder spielen eine Nebenrolle"

Damit meint Griss eine Stelle, die laufend kontrolliert, welchen Stellenwert die Kinderrechte und das Kindeswohl in der Vollziehung aber auch in der Gesetzgebung haben. Nämlich keinen großen, wie sie betont. „In der Verfassung sind die Kinderrechte zwar abgesichert“, so Griss, „aber im geltenden Recht, da wird das immer dünner und weniger. Unten, bei den Kindern selbst, kommt wenig an."

Im Asylgesetz würden Kinderrechte „eigentlich keine Rolle spielen“, genauso wenig wie im Vollzug, sagt Griss und nennt ein Beispiel. So müssten Eltern bei einem Asylverfahren etwa Fluchtgrund und Ähnliches bekannt geben, aber wie sich das auf die Kinder auswirke, wird aber nicht gesondert geprüft - „sie spielen eine Nebenrolle“.

Bürgermeister hören im Asylverfahren

Ein weiterer Appell: Bürgermeister und Nachbarn anhören - „gerade was das sogenannte humanitäre Bleiberecht betrifft“. Schließlich wäre die entscheidende Frage, wie gut betroffene Menschen in Österreich integriert seien. „Und wer weiß das besser als Menschen, die mit ihnen leben? In Gemeinden, in Pfarren, dort, wo sich diese Familie engagieren?“, überlegt sie. Dies wäre das „wesentliche Sachverhaltselement“, das berücksichtigt werden müsste.

Ein Vorschlag, der bei Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auf wenig Gegenliebe stößt. In der „Pressestunde" am Sonntag meinte er dazu: „Wenn wir anfangen, Einzelfallentscheidungen zum Maßstab zu machen, dann verlieren wir die Objektivität des Verfahrens." Auf die Kindeswohlkommission angesprochen zeigte er sich dann aber gesprächsbereit: „Wenn die Justiz sagt, es muss neue Kriterien geben in der Bewertung, und einen neuen Gesetzesvorschlag einbringt, ist das eine ganz andere Sache."

(bsch)

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