Mein Dienstag

Ein Jahr ohne Slumming

Filmladen
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Sie ist nicht tot, sie pausiert nur – und wird ein fulminantes Comeback erleben: die Kultur des Slumming.

Als Regisseur Michael Glawogger davon erfuhr, dass es eine kleine Gruppe eng befreundeter Leute gibt, die in unregelmäßigen Abständen als Hommage an seinen gleichnamigen Film aus dem Jahr 2006 Slumming betreiben, konnte er seine Freude darüber nicht verbergen. „Was? Ist das Ihr Ernst?“, fragte er euphorisch und wollte sämtliche Details wissen: „Wer, wann, wie, wo?“ Sein Strahlen und seine Begeisterung waren so ehrlich, beinahe kindlich.

Er war der geborene Geschichtenerzähler, „Nacktschnecken“, „Das Vaterspiel“ und „Contact High“ gehören zu den Aushängeschildern des österreichischen Films, angehende Drehbuchautoren und Regisseure lernen sie auswendig, sezieren und kopieren sie.

Bis heute hält besagter Freundeskreis an dieser Tradition fest, seit Glawoggers Tod 2014 während der Dreharbeiten zu seiner Dokumentation „Untitled“ noch etwas hingebungsvoller. Dabei beginnt der Abend fast immer mit der Vorführung des Films mit Paulus Manker, August Diehl, Michael Ostrowski und Pia Hierzegger in den Hauptrollen, gefolgt von ein paar Anekdoten über frühere Slumming-Erlebnisse, ehe gestartet wird.

Unglücklicherweise hat die Pandemie diesem so wertvollen, edlen und mit Leidenschaft zelebrierten Ritual ein jähes Ende gesetzt. Seit einem Jahr bestehen die Slumming-Nächte nur aus Geschichten über Slumming-Nächte. Ohne neue Episoden, neue Eskapaden.

Aber sie werden zurückkommen – noch wilder, noch lauter, noch intensiver. Dieses Lebensgefühl hat einen Umzug von Innsbruck nach Wien überlebt, langjährige Teilnehmer verabschiedet und neue aufgenommen, es wird auch die Coronakrise überstehen. Neue Geschichten warten nur darauf, entdeckt und erzählt zu werden – beim Slumming, dem nächtlichen Ziehen von einer heruntergekommenen Bar zur nächsten, als wäre es ein Wettkampf. Der Rekord liegt im Übrigen bei elf.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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