Gesundheitsministerium

"Ich will mich nicht kaputt machen": Gesundheitsminister Anschober tritt zurück

Rudolf Anschober erklärt am 13. April 2021 seinen Rücktritt.
Rudolf Anschober erklärt am 13. April 2021 seinen Rücktritt. (c) APA
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Nach 15 Monaten gibt der grüne Gesundheitsminister seinen Rücktritt bekannt. Er sei „überarbeitet und ausgepowert“. Sein Nachfolger soll am Montag von Bundespräsident Van der Bellen angelobt werden.

„Es ist jetzt gut 15 Monate her, da habe ich eine sehr schöne, herausfordernde Tätigkeit übernommen.“ Mit diesen Worten - und mit tränenerstickter Stimme - begann Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Dienstag eine kurzfristig einberufene Pressekonferenz. Gefühlt seien es 15 Jahre gewesen, „bei all dem, was wir erlebt und gemacht haben in diesem Haus und in diesem Land“, verwies er auf die herrschende „schwerste Pandemie seit hundert Jahren“. Diese habe auch sein Leben und seine Arbeit stark verändert: Das Ministerium sei gewissermaßen zur „Steuerungszentrale“ des Landes geworden, was enorme „Belastung, aber auch Überlastung“ gebracht habe.

„Ich habe wirklich versucht, alles zu geben, habe mit aller Kraft Verantwortung übernommen“, betonte Anschober. „Ich habe seit 14 Monaten praktisch durchgearbeitet, und ich habe mich dabei ganz offensichtlich überarbeitet. Seit einigen Wochen fühle ich mich, bin ich nicht mehr völlig fit.“ Vor einem Monat habe er einen Kreislaufkollaps gehabt, seine Blutdruck- und Zuckerwerte seien gestiegen, dazu komme ein beginnender Tinnitus. Faktum sei: „Ich bin überarbeitet und ausgepowert.“ Er habe sich dann aber gefangen und es „noch einmal versucht“. Es sei „kein Burn-out, ich weiß, wie sich das anfühlt, da würde ich jetzt nicht mehr dastehen“. Am vergangenen Dienstag sei es dann aber abermals zu einem Kreislaufkollaps gekommen.

„In der schwersten Gesundheitskrise seit Jahrzehnten braucht die Republik einen Gesundheitsminister, der zu 100 Prozent fit ist. Das bin ich nicht“, sagte Anschober. Er wolle 100 Prozent Leistung bringen, doch er habe „gemerkt, da muss ich jetzt für mich eine Notbremse ziehen“, räumte der Grüne ein. „Ich will mich nicht kaputtmachen.“ In Absprache mit seinen Ärzten habe er daher entschieden, seinen Posten niederzulegen und Bundespräsident Alexander Van der Bellen gebeten, ihn am Montag des Amtes zu entheben. An diesem Tag soll auch sein Nachfolger angelobt werden, bis dahin werde Vizekanzler Werner Kogler die Amtsgeschäfte übernehmen.

Seinem Nachfolger, dem Allgemeinmediziner Wolfgang Mückstein, gab Anschober - ohne dessen Namen zu verraten (er wurde erst zwei Stunden nach Anschobers Abschied von Vizekanzler Kogler offiziell präsentiert) mit, „dass diese Pandemie auch in den nächsten Monaten nicht unterschätzt werden darf“.

„In Teamarbeit haben wir Ministerium krisenfit gemacht“

Man habe viel auf den Weg gebracht, zog der 60-Jährige eine Bilanz: Die Pflegereform und die Kennzeichnung von Lebensmitteln seien umgesetzt worden, auch etwa beim Tierschutz habe man einiges weitergebracht. Allerdings: Kein Land sei auf die Pandemie vorbereitet gewesen, räumte Anschober ein. „In einer Teamarbeit haben wir das Ministerium krisenfit und zukunftssicher gemacht“, lobte Anschober die Arbeit aller seiner Mitarbeiter. In seinen drei ehrenamtliche Beraterstäben hätten zahlreiche Experten ihre Expertise eingebracht und dialogorientiert gearbeitet. 106 Verordnungen und „viele, viele Erlässe“ seien so entstanden.

„Es ist Neuland, das wir beschritten haben und das wir jeden Tag neu beschreiten“, betonte Anschober. Und dabei haben man Vieles richtig gemacht: Mittlerweile sei Österreich „Weltmeister“ bei den Testungen, rund 2,2 Millionen Impfungen gegen das Coronavirus seien bereits verabreicht worden. FFP2-Masken würden getragen, „die überwiegende Mehrheit in diesem Land ist vernünftig und bringt das Land weiter“. Freilich seien in dieser Zeit auch Fehler passiert.

Mitreden beim Rücktritt von Anschober: Wie geht es jetzt weiter?

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Morddrohungen, Interessenskonflikte

Und: Die Stimmung habe sich verändert. Er habe Morddrohungen erhalten, seit November stehe er unter Personenschutz, sagte der 60-Jährige. Menschen in seinem Umfeld seien bedroht worden. Das sei ein „Lernprozess“ für ihn gewesen. Denn: Damit sei „eine Quelle meiner Energie“ versiegt - „nämlich das unbefangene Gespräch, etwa in der S-Bahn“. Bei der „dritten Coronawelle“ hätten zudem die Interessenskonflikte immer mehr zugenommen: „Ich habe mich da oft sehr alleine gefühlt“, räumte Anschober ein. Glücklicherweise sei es letztlich doch gelungen, die geplanten Öffnungsschritte zu stoppen. 

In den kommenden Wochen wolle er sich nun seiner Gesundheit widmen, um dann seinen Traum anzugehen „und nach fünf Sachbüchern einen politischen Roman schreiben“. Zuvor aber wolle er sich noch bedanken: bin seiner Partnerin, seiner Kabinettschefin und seinem Team sowie „meinem Freund“ Kogler und vielen weiteren Unterstützern. „Und Ihnen sag ich 'Auf Wiedersehen'“, schloss Anschober seine „persönliche Erklärung“ und wandte sich ab.

Kurz: „Anschober hat sich aufgeopfert“ 

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dankte Anschober kurz darauf per Aussendung für seine Arbeit. „Er hat sich in den vergangenen 16 Monaten für unser Land aufgeopfert sowie als Gesundheitsminister seine gesamte Energie in die Bekämpfung der Corona-Pandemie gesteckt“, erklärte Kurz. Anschobers Rücktritt zeige, „dass die Pandemie nicht nur für jeden Einzelnen in der Bevölkerung eine Belastung ist, sondern auch für einen politisch Verantwortlichen, der Tag und Nacht im Einsatz ist und Entscheidungen treffen muss“.

Bundespräsident Van der Bellen tat seinen Dank via Twitter „im Namen der Republik und auch ganz persönlich“ kund. Er wünschte Anschober eine rasche Erholung und alles Gute für die Zukunft.

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