Die US-Behörde FDA empfiehlt, den Impfstoff von Johnson & Johnson in den USA nicht mehr zu verabreichen, da bei 6,8 Millionen Impfungen sechs Fälle von Sinusthrombosen aufgetreten sind. Das hat auch Auswirkungen auf die geplanten Lieferungen an die EU.
Die ersten Lieferung des Corona-Impfstoffs von Johnson & Johnson ist gerade erst in Österreich eingetroffen - es könnte die letzte für eine Weile gewesen sein. Die Arzneimittelbehörde der USA empfiehlt, Corona-Impfungen mit dem Mittel von Johnson & Johnson auszusetzen. Hintergrund sei das Auftreten von seltenen Thrombosen bei sechs Personen. Bis 12. April seien mehr als 6,8 Millionen Dosen an US-Amerikaner verimpft worden. Die Behörden würden nach sechs gemeldeten Fällen von seltenen und ernsten Blutgerinnseln nach Verabreichung des Impfstoffs die Daten erneut analysieren. „Derzeit scheinen diese unerwünschten Ereignisse äußerst selten zu sein“, schreibt die Bundesbehörde FDA ("Food and Drug Administration") auf Twitter.
Johnson & Johnson gab am Dienstagnachmittag folglich bekannt, die Auslieferung seines Impfstoffs in Europa auszusetzen. "Wir haben die Entscheidung getroffen, die Markteinführung unseres Impfstoffs in Europa aufzuschieben", erklärte der Konzern am Dienstag. Die ersten in Europa angekommen Dosen werden nun vorerst nicht verimpft.
Mögliche, seltene Nebenwirkung: Sinus-/Venenthrombosen
Die von Blutgerinnseln betroffenen sechs betroffenen Personen in den USA waren allesamt Frauen im Alter zwischen 18 und 48, eine von ihnen sei an den Folgen des Blutgerinnsels gestorben, eine weitere Frau befinde sich in kritischem Zustand in einem Krankenhaus im US-Bundesstaat Nebraska. Zu den Thrombosen sei es zwischen sechs und 13 Tagen nach der Impfung gekommen. In drei Fällen sei zusätzlich eine Thrombozytopenie, also ein Mangel an Blutplättchen, gemeldet worden.
Ähnlich wie bei Nebenwirkungen beim Impfstoff von AstraZeneca, waren es auch in diesem Fall Sinus-/Venenthrombose, sagte Peter Marks, der Direktor des „Centers for Biologics Evaluation and Research" (CBER) in der FDA am Dienstag. Für die USA ist die Debatte eine neue, der Impfstoff von AstraZeneca/Oxford ist dort noch nicht zugelassen. Man habe aber die These, dass es sich um einen ähnlichen Mechanismus wie beim Impftoff von AstraZeneca handle. Beide Impfstoffe verwenden Adenoviren als Vektorträger, erklärte Marks.
Erste Dosen in Österreich
Erst zu Wochenbeginn sind überhaupt die ersten Dosen von Johnson & Johnson in der EU eingetroffen, am Dienstag auch in Österreich. Insgesamt wurden 16.800 Dosen geliefert, teilte das Gesundheitsministerium mit. Bestellt wurden 2,5 Millionen Dosen. Die nächste Lieferung von 31.200 Vakzinen sollte in der Kalenderwoche 17 eintreffen. Zuletzt gab Johnson & Johnson bekannt, dass 15 Millionen Dosen versehentlich kontaminiert wurden.
Die US-Gesundheitsbehörde CDC ("Centers for Disease Control and Prevention") soll in einem Treffen des Beraterkomitees am Mittwoch die aufgetretenen Thrombosefälle analysieren und deren Relevanz für die weitere Impfkampagne in den USA abwägen. Die FDA will auch selbst die Datenlage begutachten. Bis dahin empfehle man, den Impfstoff von „Janssen“ (so der Name der Impfstoff-Sparte von Johnson & Johnson) vorerst nicht weiter zu verabreichen. Die Entscheidung liegt bei den Bundesstaaten, die der Empfehlung aber wohl folgen werden. Die FDA hoffe aber, in den nächsten Tagen mehr Klarheit zu haben und den Impfstoff sobald wie möglich wieder freigeben zu können.
Der Infektiologe Amesh Adalja vom Johns Hopkins Center in Baltimore sprach von einem sehr geringen Risiko. "Sechs Fälle bei etwa sieben Millionen Dosen - geringer als das Risiko von Blutgerinnseln mit oralen Kontrazeptiva (Antibabypille, Anm.) sind kein Grund zur Panik."
Blutgerinnsel-Fälle seit letzter Woche bekannt
Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte Ende letzter Woche noch keinen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfungen mit dem Corona-Vakzin von Johnson & Johnson und Blutgerinnseln gesehen. Bisher seien "einige" Fälle bekannt geworden, in denen Patienten nach einer Impfung mit dem Johnson & Johnson-Vakzin Blutgerinnsel und einen Rückgang der Blutplättchen erlitten hätten. "Beides kann viele verschiedene Ursachen haben", hatte die Arzneimittelbehörde am Freitag erklärt. Nun dürften neue Daten und Fälle auftaucht sein, die die Behörde zu einer vorläufigen Impfstopp-Empfehlung veranlasst haben.
Auch die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat nach den Berichten über mehrere Thrombosefälle eine Prüfung über mögliche Zusammenhänge mit der Impfung angekündigt. Erst am Montag trafen die ersten Dosen zur Verteilung in der EU ein.
Welche Wirkweise hat der Impfstoff?
Wie beim Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Unternehmens AstraZeneca und dem russischen Vakzin Sputnik V handelt es sich um einen Vektorvirenimpfstoff. Dabei wird als Vektor ein sogenanntes Adenovirus genutzt. Dieses löst normalerweise eine gewöhnliche Erkältung aus, wurde jedoch so verändert, dass es sich nicht vermehren kann.
Über den Vektor werden genetische Anweisungen an die Zellen übermittelt, ein bestimmtes Protein des Covid-19-Erregers Sars-CoV-2 zu produzieren. Auf diese Weise wird das Immunsystem auf die Bekämpfung des echten Coronavirus vorbereitet.
Bei dem Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson reicht anders als bei den in der EU bereits zugelassenen Mitteln von Biontech, Moderna und AstraZeneca eine einzige Dosis. Dadurch könnte die Immunisierung der Bevölkerung deutlich beschleunigt werden.
Außerdem kann das Mittel leichter transportiert und aufbewahrt werden: Nach Unternehmens-Angaben ist es mindestens drei Monate lang bei normalen Kühlschranktemperaturen zwischen zwei und acht Grad haltbar. Somit kann das Mittel von jeder Arztpraxis aufbewahrt werden. Die Impfstoffe auf Grundlage der mRNA-Technologie von Biontech und Moderna müssen hingegen bei etwa minus 20 Grad aufbewahrt werden.
Ursache für Thrombosen bei AstraZeneca offenbar geklärt
Eine Häufung von Thrombosen nach einer Corona-Impfung, das beschäftigte die europäischen Gesundheitsbehörden schon mit dem Impfstoff von AstraZeneca. Die Ursache scheint hier mittlerweile geklärt. Die Thrombosen ähneln einer selten bei einer Heparin-Therapie auftretenden Nebenwirkung. Die volle Erklärung inklusive möglicher Früherkennungs-, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten durch ein internationales Wissenschaftlerteam mit Beteiligung von Wiener Blutgerinnungsexperten ist jetzt im New England Journal (9. April) erschienen.
Wie mit den Nebenwirkungen umgegangen wird, darüber herrscht in den EU-Ländern aber immer noch kein Konsens, der Impfstoff von AstraZeneca wird in einigen Ländern nur noch an bestimmte Altersgruppen verabreicht - in Deutschland etwa nur an Über-60-Jährige. In Österreich wird das Vakzin aber in allen Bundesländern weiterhin für alle Altersgruppen eingesetzt.
(Ag./Red.)