Atomabkommen

Iran will mit Uran-Anreicherung auf 60 Prozent beginnen

Der iranische Chef-Verhandler Abbas Araqchi auf einem Archivbild bei Gesprächen in Wien im September 2020.
Der iranische Chef-Verhandler Abbas Araqchi auf einem Archivbild bei Gesprächen in Wien im September 2020.via REUTERS
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Der Iran informiert die Internationale Atomenergiebehörde, dass schon am Mittwoch mit der höheren Anreicherung begonnen werden soll. Die Atomgespräche in Wien wurden auf Donnerstag verschoben.

Nach einem mutmaßlichen Angriff auf die Atomanlage Natanz will der Iran die Urananreicherung beschleunigen. Teheran informierte die Internationale Atomenergiebehörde IAEO über seine Pläne, mit der Anreicherung auf 60 Prozent am Mittwoch zu starten, sagte der iranische Chefverhandler Abbas Araqchi am Dienstag gegenüber dem Sender "Press TV" aus Wien.

Die ursprünglich für Mittwoch geplante Fortsetzung der Wiener Gespräche über eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran sind nach Angaben Russlands um einen Tag verschoben worden. Die Verhandlungen würden "am 15. April in physischem Format" fortgesetzt, schrieb der russische UN-Botschafter Michail Uljanow am Dienstag im Onlinedienst Twitter. Es bestehe "kein Zweifel" daran, dass dann auch über "die jüngsten Maßnahmen des Iran im Nuklearbereich" beraten werde. Der Iran habe die IAEA über seine Pläne informiert, sagte ein Sprecher der UNO-Atombehörde am Dienstag in Wien. 

Der Iran hat bis jetzt sein Uran auf 20 Prozent angereichert, obwohl im Wiener Atomabkommen von 2015 nur noch 3,67 Prozent erlaubt sind. Bei einem Anreicherungsgrad von 20 Prozent ist es laut Experten relativ einfach, auf eine Urananreicherung von etwa 90 Prozent zu kommen, die für eine Atombombe benötigt wird.

Angriff auf Atomanlage erschwert Verhandlungen

Zuvor hatte Teheran bereits vor negativen Auswirkungen auf die Bemühungen zur Rettung des Atomabkommens gewarnt. "Der Vorfall in Natanz erschwert die Verhandlungen", sagte Außenminister Javad Zarif am Dienstag am Rande von Gesprächen mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Lawrow warnte bei seinem Iran-Besuch sogar vor einem Scheitern der internationalen Gespräche über die Zukunft des 2015 geschlossenen Abkommens. Zugleich kritisierte er die Europäer.

Der russische Außenminister drängte zur Eile bei den Gesprächen. "Ich glaube, dass wir nicht viel Zeit haben." Diejenigen, die die Verhandlungen stören und letztlich begraben wollten, wüssten, dass es nur ein bestimmtes Zeitfenster gebe. "Wir verurteilen alle Versuche, diese wichtigen Verhandlungen zu untergraben", sagte er der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Irans Präsident Hassan Rohani knüpfte bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister den Erfolg der Verhandlungen an Bedingungen. "Was wir wollen, ist, dass alles so wird wie nach dem Abkommen 2015 und dass alle Seiten sich an die Abmachungen halten (...) - nicht mehr, aber auch nicht weniger", sagte er nach Angaben des Präsidialbüros.

Unterschiedliche Angaben über Schäden

Der Iran sprach nach dem Angriff auf die Atomanlage am Sonntag von einem "Terrorakt" und machte Israel verantwortlich. Auch US-Geheimdienste vermuten Israel dahinter. Nach Angaben der iranischen Atomorganisation AEOI richtete der Vorfall keine größeren Schäden an. "Das war nur eine leichte Brise, die uns nicht mal zum Zittern bringt", behauptete ein Sprecher. Die "New York Times" hingegen berichtete unter Berufung auf US-Geheimdienstler, die Uran-Anreicherung des Iran werde um mindestens neun Monate zurückgeworfen.

Russland zählt zu den Ländern, die sich um die Rettung des Abkommens bemühen, das 2015 zwischen dem Iran, den fünf UN-Vetomächten und Deutschland in Wien geschlossen wurde. Es soll sicherstellen, dass der Iran nicht die Fähigkeiten zum Bau einer Atombombe erlangt. Seit vergangener Woche laufen dazu neue Verhandlungen. Lawrow sagte, er hoffe, dass die Übereinkunft erhalten bleibe. Voraussetzung sei, dass die USA es "vollständig umsetzen". Zudem müssten alle Sanktionen aufgehoben werden.

Washington war 2018 einseitig aus dem Wiener Abkommen ausgestiegen. Als Reaktion auf Strafmaßnahmen begann der Iran, vereinbarte Obergrenzen für die Produktion von Uran zu überschreiten. Bei den laufenden Atomgesprächen geht es um die Bedingungen für eine Rückkehr zu der Übereinkunft. Da jedoch auch der neue US-Präsident Joe Biden die Sanktionen kurzfristig nicht aufheben will, richtet sich die Führung in Teheran mehr nach China und Russland aus.

EU verschärft Sanktionen

Erst am Montag hatte die EU schärfere Sanktionen gegen den Iran wegen Verstößen gegen grundlegende Menschenrechte verhängt. Diese Angelegenheit werfe viele Fragen auf, kritisierte Lawrow. "Wenn es in der Europäischen Union keine Koordination gibt und die rechte Hand nicht weiß, was die linke macht, ist das eine Katastrophe." Wenn diese Entscheidung aber bewusst inmitten der Gespräche über eine Rettung des Atomabkommens getroffen worden sei, sei das ein Fehler.

Bei Lawrows Besuch verabredeten beide Länder eine engere Zusammenarbeit. Dabei geht es den Angaben nach etwa um eine Kooperation bei der Produktion des russischen Corona-Impfstoffes Sputnik V. Vor Russland hatte der Iran Ende März bereits mit China ein Vertrag über eine Zusammenarbeit mit einer Laufzeit von 25 Jahren unterzeichnet. Damit ist der Weg frei für Investitionen Chinas.

Iran lädt portugiesischen Botschafter vor

Aus Verärgerung über die jüngsten Sanktionen der Europäischen Union hat der Iran den portugiesischen Botschafter vorgeladen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna verurteilte das iranische Außenministerium in dem Treffen mit dem Diplomaten die Sanktionen als politisch motiviert und illegitim. Die Vorladung des portugiesischen Botschafters erklärt sich damit, dass sein Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat.

Auch Außenminister Mohammed Javad Zarif verurteilte die EU-Sanktionen scharf. "Die EU ist dabei, ihren internationalen Status als unabhängige Institution zu verlieren (...), das ist beschämend," sagte Zarif auf einer Pressekonferenz in Teheran. Anstatt den USA "blind zu folgen" und Sanktionen zu verhängen, sollte die EU die US-Sanktionen gegen den Iran verurteilen, die die Rechte von mehr als 83 Millionen Iranern beträfen und seit über zwei Jahren ihren Zugang zu Medikamenten blockierten, so der iranische Chefdiplomat.

(APA/dpa)

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