Buchbesprechung

Ein Buch über die schöne neue Welt

Christine Pichler
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Systemgrant statt Selbsthass: Das ist die Devise von Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner in einem lesenswerten Buch über Schönheitswahn und Widerstand gegen Fremdbestimmtheit.

Mit ihrem Buch „Riot, Don’t Diet“ (erschienen Kremayr & Scheriau) legt die promovierte Kulturwissenschafterin Elisabeth Lechner eine wichtige, umfassende Untersuchung vor, die ebenso profund recherchiert und mit inhaltlichem Tiefgang ausgestattet ist, wie sie als zugängliche und informative Lektüre taugt. Der Untertitel, „Aufstand der widerspenstigen Körper“ lässt an Judith Butlers „Körper von Gewicht“ denken, Lechner bedenkt zugleich eine so große Themenvielfalt, dass sich ihr Buch als Einstieg in viele komplexere Diskurse der Gegenwart eignet und neue Blickweisen eröffnet.

Grundlage des Texts ist Lechners Dissertation mit dem Titel „Beyond Disgust“ über postfeministische Körperpolitiken. Zusätzlich zu Lechners tragender Stimme machen zahlreiche Wortmeldungen von Menschen aus verschiedenen Communitys den Text lebendig und empathisch zugänglich. Ein Zitat wie „Schönheit ist ein System, das nur dann funktioniert, wenn es viele ausschließt“ regt zum Nachdenken an (oder provoziert manche vielleicht sogar), trifft aber den Kern von Elisabeth Lechners Sache.

Normierte Schönheitsvorstellungen als Pflichterfüllungssoll schreibt sie in den Kontext einer leistungsorientierten neoliberalen Gesellschaft und den omnipräsenten (Selbst-)Optimierungszwang ein. Ein Lösungsvorschlag für manches Dilemma ist das von Lechner ausgerufene Motto „Systemgrant statt Selbsthass“, das, etwa im Sinne einer feministisch-queer-intersektionalen Revolution, zur Ablösung von fremdbestimmten Schönheitsvorstellungen beitragen soll. In einzelnen Kapiteln widmet sich die Autorin Themenkomplexen wie dem Fat-Shaming, der Exotisierung und dem Rassismus, der Entstehung der Body-Positivity-Bewegung parallel zur zweiten Welle des Feminismus, oder der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung.

Das Gesamtbild der ­dargestellten Situationen ist auf den ersten Blick nicht immer rosig, Lechner zeigt aber positive Entwicklungspotenziale auf und legt somit auch kein trübsinniges Buch vor. „Sich um die eigene Schönheit zu kümmern kann (…) auch Spaß machen, Identität stiften und eine Form der Selbstfürsorge sein“, schreibt sie an einer Stelle. Ein solches Einräumen von vielschichtigen Möglichkeiten der „Self Agency“ macht offenbar, wie der im Titel des Buches genannte Aufstand durchaus mit Wohlfühlcharakter ausgestattet sein kann.

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