Atomvertrag

Kritik am Iran: Anreicherung von 60 Prozent "wichtiger Schritt zur Nuklearwaffe"

Der Iran reagierte auf den Angriff auf eine seiner Atomanlagen mit der Ankündigung, Uran nun auf 60 anreichern zu wollen.
Der Iran reagierte auf den Angriff auf eine seiner Atomanlagen mit der Ankündigung, Uran nun auf 60 anreichern zu wollen.APA/AFP/Iranian Presidency/-
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Deutschland, Frankreich und Großbritannien stellen dem Iran die Rute ins Fenster. Dessen Ankündigung, Uran auf 60 Prozent anzureichern, sei eine „ernste Entwicklung“. Irans Präsident Rohani gibt sich gelassen. Teheran werde den Deal achten, sobald die US-Sanktionen aufgehoben werden.

Die Atomverhandlungen in Wien sind durch die Ankündigung des Irans, Uran auf 60 Prozent anreichern zu wollen, nich gerade erleichtert worden. Die drei europäischen Verhandlerländer Deutschland, Frankreich und Großbritannien - die sogenannten „E3“ - erklärten am Mittwoch in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass sie die iranische Ankündigung mit „großer Sorge“ erfülle. „Dies ist eine ernste Entwicklung, da die Herstellung von hoch angereichertem Uran einen wichtigen Schritt zur Produktion einer Nuklearwaffe darstellt. Iran hat keinen glaubwürdigen zivilen Bedarf für eine Anreicherung auf diesem Niveau“, heißt es in dem Text.

Auch die zusätzlichen Zentrifugen in der Anlage in Natanz würden wenig Vertrauen erwecken. Das Timing all dieser Maßnahmen des Irans sei „bedauerlich“, da derzeit wieder Gespräche begonnen hätten, um „eine schnelle diplomatische Lösung zur Wiederbelebung und Wiederherstellung des JCPoA zu finden“. JCPoA steht für den „Joint Comprehensive Plan of Action“, der umgangssprachlich als Atomvertrag mit dem Iran bekannt ist. Irans gefährliche jüngste Ankündigung stünde im Gegensatz zu der konstruktiven Atmosphäre dieser im guten Glauben geführten Gespräche, heißt es vonseiten der E3. Man fordere den Iran auf, den diplomatischen Prozess nicht weiter zu erschweren.

Rohani versichert: „Kein Problem mit Verhandlungen"

Obwohl der Iran mehrfach das 2015 geschlossene Atomabkommen gebrochen hat, will das Land nach den Worten von Präsident Hassan Rohani die geplanten Verhandlungen über sein Nuklearprogramm in Wien fortsetzen. "Auch wenn wir nun unser Uran auf 60 Prozent anreichern wollen, haben wir weiterhin kein Problem mit Verhandlungen", sagte er am Mittwoch. Das gelte auch für Gespräche mit den USA.

Sobald das 2015 geschlossene Abkommen vertragsgerecht umgesetzt werde und die US-Sanktionen gegen sein Land aufgehoben seien, "wird der Iran am selben Tag zu all seinen technischen Verpflichtungen in dem Deal zurückkehren", versicherte Rohani laut einer Mitteilung des Präsidialamts.

Das Abkommen von 2015 soll den Iran vom Bau einer Atombombe abhalten. Im Gegenzug sollte der Westen unter anderem Beschränkungen im Handel abbauen. Als Reaktion auf die vom Westen ausgebliebene Umsetzung der Zusagen verstößt der Iran seit 2019 selbst Schritt für Schritt gegen Auflagen. Als Vertragspartner verblieben sind nach dem Ausstieg der USA: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China und Russland.

Anreicherung auf 60 Prozent

Die Entscheidung Teherans, sein Uran entgegen der Atomvereinbarung nun auf 60 Prozent anzureichern, ist laut Rohani eine Reaktion auf den mutmaßlich israelischen Angriff am Sonntag auf die Atomanlage Natans. Dabei wurden laut Atom-Chef Ali Akbar Salehi zahlreiche Zentrifugen beschädigt, die aber umgehend mit neueren ersetzt werden sollen. Das Uran soll demnach für medizinische Zwecke verwendet werden. Ziel Israels war es laut Teheran das iranische Atomprogramm zu schwächen und auch die Bemühungen zur Rettung des Atomabkommens zu sabotieren. Beides will der Iran verhindern.

Bisher lag der Anreicherungsgrad im Iran bei 20 Prozent, obwohl im Atomabkommen nur weniger als 4 Prozent erlaubt sind. Auch die Nutzung von schnelleren Zentrifugen ist ein Verstoß gegen den Atomdeal. Zwar reichen auch 60 Prozent für den Bau einer Atombombe nicht aus, aber es wird befürchtet, dass der Iran jederzeit den Prozess von 60 auf die für den Bombenbau nötigen 90 Prozent erhöhen könnte. Die iranische Führung hat mehrmals betont, dass sie keinerlei Interesse am Bau von Massenvernichtungswaffen habe.

Die Atomverhandlungen sollten ursprünglich schon am Mittwoch in Wien fortgesetzt werden, wurden aber auf Donnerstag verschoben, angeblich wegen eines positiven Coronatests bei einem der westlichen Diplomaten.

Im Wortlaut

Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich veröffentlichten eine gemeinsame Stellungnahme zu den Verhandlungen mit dem Iran über das Atomabkommen:

„Die Regierungen Frankreichs, Deutschlands und des Vereinigten Königreichs (die E3) nehmen mit großer Sorge Irans Ankündigung zur Kenntnis, dass es mit der Anreicherung von Uran auf 60 % beginnen und dafür fortschrittliche Zentrifugen verwenden wird, wie Iran der IAEO am 13. April mitgeteilt hat.


Dies ist eine ernste Entwicklung, da die Herstellung von hoch angereichertem Uran einen wichtigen Schritt zur Produktion einer Nuklearwaffe darstellt. Iran hat keinen glaubwürdigen zivilen Bedarf für eine Anreicherung auf diesem Niveau.

Ebenso drücken wir unsere Sorge über die Nachricht aus, dass Iran eintausend zusätzliche Zentrifugen in Natanz aufzustellen plant, was Irans Anreicherungsfähigkeiten erheblich ausweiten wird.

Irans Ankündigungen sind besonders bedauerlich, da sie zu einer Zeit erfolgen, in der alle JCPoA-Teilnehmer und die Vereinigten Staaten substantielle Gespräche begonnen haben, um eine schnelle diplomatische Lösung zur Wiederbelebung und Wiederherstellung des JCPoA zu finden. Irans gefährliche jüngste Ankündigung steht im Gegensatz zu der konstruktiven Atmosphäre dieser im guten Glauben geführten Gespräche.

Im Lichte der jüngsten Entwicklungen weisen wir alle eskalierenden Maßnahmen von jeglicher Seite zurück und fordern Iran auf, den diplomatischen Prozess nicht weiter zu erschweren."

(APA/dpa)

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