Impfplan

Europas Sommer ist gerettet

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Nach Anfangsschwierigkeiten dürfte der EU-Impfplan doch halten: Pfizer/Biontech liefert bis Juni zusätzlich 50 Millionen Dosen – Österreich bekommt davon eine Million.

Wien/Brüssel. Was den Kampf gegen Corona anbelangt, sind Europäer mittlerweile Kummer gewohnt – die schleppend angelaufenen Impfkampagnen und Berichte über Nebenwirkungen einzelner Präparate sorgen seit Wochen für Ärger. Doch am Mittwoch hatte Ursula von der Leyen, die Präsidentin der EU-Kommission, zur Abwechslung eine gute Nachricht parat: Das Herstellerduo Pfizer/Biontech wird im laufenden Quartal zusätzliche 50 Mio. Dosen seines mRNA-Impfstoffs liefern. Rückt die EU damit ihrem Ziel näher, alle impfwilligen Erwachsenen bis zum Sommer zu immunisieren? Kann die zusätzliche Lieferung die Verzögerungen bei anderen Herstellern kompensieren? Und was bedeutet das alles für Österreich?

1. Die EU-Impfkampagne stand zunächst unter keinem guten Stern. Wird jetzt alles anders?

Es waren vor allem Probleme mit Lieferanten der Vektorimpfungen (dabei wird ein „entschärfter“ Adenovirus als Träger des eigentlichen Krankheitserregers eingesetzt), die von Anfang an für Ärger gesorgt haben: Vom AstraZeneca-Impfstoff, der das Rückgrat der EU-Impfkampagne hätte sein sollen, kam nur ein Drittel der bestellten Menge an. Auch bei Johnson & Johnson gab es Verzögerungen. In der Zwischenzeit ist das mRNA-Vakzin von Pfizer/Biontech zum europäischen Zugpferd avanciert: Für das laufende Quartal geht die EU-Kommission nun von 250 Mio. statt der bisher erwarteten 200 Mio. Dosen aus.

Die zusätzlichen Impfdosen wurden aus dem für das vierte Quartal vorgesehenen Kontingent vorgezogen, nachdem die Produktion des Impfstoffs in der EU voll angelaufen ist und mittlerweile über Plan liegt. Hinzu kommen von April bis Juni 35 Mio. Dosen des mRNA-Vakzins von Moderna, 70 Mio. Dosen von AstraZeneca sowie rund 50 Mio. Dosen der Ein-Dosen-Impfung von Johnson & Johnson – sofern das Unternehmen seine Lieferzusagen einhält. Geht alles gut, können mit dieser Menge gut 225 Mio. EU-Bürger vollständig geimpft werden. Im ersten Quartal wurden knapp 110 Mio. Dosen geliefert, die 55 Mio. Vollimunisierungen entsprechen. Rechnet man die rund 26 Mio. als genesen registrierten Europäer ein, die über eine natürliche Abwehr gegen das Virus verfügen, rückt das Ziel, bis Sommerbeginn zwei Drittel aller EU-Bürger gegen Corona zu schützen, in greifbare Nähe.

2. Also gute Aussichten für die Urlaubssaison. Gilt das auch für Österreich?

Ja. Die Planer im Gesundheitsministerium gingen bis dato von sieben Mio. Impfdosen im laufenden Quartal aus – zwei Drittel mRNA-Vakzine, ein Drittel Vektorimpfungen. Aus dem vorgezogenen Pfizer/Biontech-Kontingent wird Österreich bis Juni zusätzlich rund eine Mio. Dosen erhalten. Allerdings ist nicht klar, in welchem Ausmaß mit den erwarteten 600.000 Dosen des Vakzins von Johnson & Johnson zu rechnen ist – das Unternehmern hat nach Meldungen über Thrombosen in den USA seine Auslieferung in der EU vorerst gestoppt. Für Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) stand gestern jedenfalls fest, dass in Österreich alle verfügbaren und von der EU-Arzneimittelbehörde EMA genehmigten Vakzine weiterhin verimpft werden. Nimmt Johnson & Johnson seine Lieferungen auf und gibt es keine weiteren Ausfälle, könnten im zweiten Quartal im Idealfall rund vier Mio. Österreicher vollständig geimpft werden. Abzüglich der Kinder und Jugendlichen, kommen hierzulande 7,5 Mio. Personen für eine Covid-Impfung infrage.

3. Der Pfizer-Impfstoff muss tiefgekühlt werden. Gibt es dafür genug Kühlschränke?

Ja. Die Versorgung Österreichs mit dem mRNA-Vakzin wird über 18 Distributionszentren abgewickelt, die alle über mindestens einen sogenannten „Ultra Freezer“ verfügen – und in jeden dieser besonders leistungsstarken Tiefkühler passen knapp 200.000 Dosen Impfstoff. An der Logistik wird die Impfkampagne hierzulande also nicht scheitern.

4. So weit, so gut. Doch wie geht es nach dem Sommer weiter?

Aller Voraussicht nach ohne Vektorimpfungen. Laut Peter Liese (CDU), dem Gesundheitssprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, hat die EU-Kommission nach Rücksprache mit den Mitgliedsstaaten entschieden, die Lieferverträge mit AstraZeneca und Johnson & Johnson nicht zu verlängern – ein Sprecher der Brüsseler Behörde wollte gestern allerdings nicht bestätigen, dass die beiden Hersteller schon definitiv aus dem Rennen sind.

Klar ist jedenfalls, dass sich die EU künftig vor allem mit mRNA-Vakzinen versorgen will. Kommissionschefin von der Leyen bestätigte gestern Berichte, wonach Brüssel mit Pfizer/Biontech über die Lieferung von 1,8 Mrd. Impfdosen für den Zeitraum 2021–2023 verhandelt. Zugleich hat mit Dänemark das erste EU-Mitglied angekündigt, künftig zur Gänze auf die Verimpfung von AstraZeneca verzichten zu wollen.

5. Wie viele Impfdosen wird Österreich inden nächsten Jahren benötigen?

Nachdem die Datenlage bezüglich der Dauer der Immunisierung noch dünn ist, gibt es vorerst nur eine grobe Bedarfsschätzung von rund 18 Mio. Impfdosen – also zwei Dosen pro Kopf – für den Zeitraum 2022/2023.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2021)

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