Gastkommentar

Wie viel Privatsphäre verträgt die Demokratie?

Peter Kufner
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Die Chat-Nachrichten zwischen Kurz, Blümel und Thomas Schmid führen uns in ein Dilemma und zur Frage: Sind Nachrichten von gewählten Spitzenpolitikern noch privat oder muss der Schutz des Privaten hier fallen?

Im Verlauf eines privaten Telefonats vor etwa dreißig Jahren erklärte der englische Thronfolger, Prinz Charles, seiner Geliebten, Camilla Parker Bowles, er wäre gern ein Tampon, um dem Objekt seiner Begierde möglichst nahe zu sein. Das Telefonat wurde abgehört – von wem, steht bis heute nicht fest – und in einer Londoner Boulevardzeitung publiziert. Der Satz löste, nachdem er öffentlich geworden war, weltweit Kopfschütteln und Gelächter aus. Aber: Man muss schon ein rechter Spießer sein und völlig amusisch, um die Poesie dieser drastischen Liebeserklärung nicht zu erfassen. Ein Satz, um dessen Originalität und poetische Kraft jeder Liebende den Prinzen beneiden konnte.

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Das Ganze war damals ein kleiner Skandal. In Wirklichkeit war es ein großer Skandal. Dass das Telefonat abgehört wurde, mag – falls es der britische Geheimdienst gewesen ist – angesichts der Stellung des Kronprinzen noch irgendwie erklärbar sein, dass aber der intime Wortlaut, der niemanden etwas anging, veröffentlicht wurde, war eine Infamie. Für gnadenlose Infamien dieser Art sind die Boulevardzeitungen in London bis heute berüchtigt, und wir können es als Glücksfall betrachten, dass dieses Modell von Österreichs staatlich hochsubventionierten Boulevardzeitungen nicht in der Form übernommen worden ist. Vielleicht ist das der Sinn der Subventionen? Man buhlt nicht nur um die Gunst dieser Zeitungen, man kauft ihnen auf die Art auch das ganz Infame ab. Eine Art Schweigegeld. Doch das nur nebenbei.

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