FRANCE-HEALTH-VIRUS-VACCINES-DELIVERY
Pharmalogistik

Kein Engpass bei Transportkapazitäten

Österreichs Covid-19-Impfstrategie mag umstritten sein: Anders als in den USA wird es aufgrund der Priorisierung der Impfdosen hierzulande aber zu keinen Lieferschwierigkeiten bei anderen Warensegmenten kommen.

Die Wogen gehen hoch: Klein- und Mittelbetriebe in den USA beklagen, dass ihre Waren in den Lagern der Transportunternehmen liegen bleiben und es zu Lieferverzögerungen komme. Der Grund: Die Logistiker müssen Lieferungen von Covid-Impfstoffen bevorzugt behandeln und haben zu wenig Kapazitäten für andere Güter. Manche verlangen angeblich Zuschläge, wenn sie andere Waren mitnehmen sollen. Vielen Produzenten fehlen aber die finanziellen Ressourcen, sich ihren Platz in der Lieferkette zu erstreiten.

„In Österreich kann Derartiges nicht passieren“, beruhigt Monika Vögele, Generalsekretärin von Phago, der Interessenvertretung der österreichischen Arzneimittel-Vollgroßhändler. Das liege vorrangig nicht etwa daran, dass – wie Kritiker monieren – ohnehin so wenige Impfdosen den Weg nach Österreich finden. Vielmehr sind für den Transport der Vakzine innerhalb des Landes ausschließlich die fünf Mitgliedsbetriebe der Phago zuständig. Fremde Logistikfirmen werden nicht beauftragt, Impfstoffe und andere Warenströme kommen einander daher nicht in die Quere.

Lieferungen mit eigener Flotte

Die Flotten der Phago sind ausschließlich auf den Transport von Arzneimitteln spezialisiert. Gehen die Impfstoff-Transporte womöglich zulasten anderer medizinischer Produkte? Auch das verneint Vögele. „Die Kapazitäten sind ausreichend. Zum Vergleich: Im ersten Quartal wurden von uns insgesamt rund 50 Millionen Artikel ausgeliefert, davon rund 200.000 Phiolen Impfstoff.“ Das sind gerade einmal 0,4 Prozent. Dennoch habe man Personal und Fuhrpark aufgestockt, denn: „Die Vakzine werden nicht im Zuge der normalen Zustelltouren, sondern mit Sonderlieferungen zu den Impfstellen gebracht.“ Dies sei notwendig, weil die Übergabe besonderen und aufwendigen Protokollen zu gehorchen hat, die den Routinebetrieb verzögern würden. So werden die Phiolen jeweils vormittags in den österreichweit 17 an der Impfstoff-Verteilung beteiligten Lagern der Phago vorbereitet und nachmittags an den Impfstellen abgegeben. Innerhalb von zwei Stunden sei jeder Ort in Österreich von einem dieser Lager aus erreichbar, heißt es seitens der Phago.

Die Mittel von Biontech/Pfizer müssen in den Lagern bei minus 70 Grad aufbewahrt werden. Dafür stehen österreichweit an den Standorten der Arzneimittel-Vollgroßhändler sogenannte Ultra-Tiefkühler mit einem Fassungsvermögen von insgesamt mehr als drei Millionen Impfdosen zur Verfügung. Wie lang die Mittel dort bleiben, hängt laut Vögele davon ab, wann sie von den einzelnen Bundesländern abgerufen werden. Die Biontech/Pfizer-Vakzine werden aufgetaut, bevor sie die Lager verlassen, und in speziellen Behältern – sogenannten qualifizierten Kühlboxen, die eine Temperatur von zwei bis acht Grad sicherstellen – auf die Lkw verladen. Da diese Phiolen, wie auch jene von Moderna, erschütterungsempfindlich sind, werden sie als zusätzliche Sicherungsmaßnahme aufrecht und in mit Schaumstoff abgefederten Behältnissen transportiert. Das Auftauen ist aus medizinischer Sicht kein Problem, da die Fläschchen laut Hersteller bis zu fünf Tage bei Kühlschranktemperaturen aufbewahrt werden dürfen. Erst nach der Verdünnung müssen die Impfdosen innerhalb von sechs Stunden verwendet werden.

Und wie kommen die Impfstoffe überhaupt nach Österreich? Ausschließlich per Lkw, nicht mit mit der Bahn oder als Luftfracht. Dafür sind dann sehr wohl internationale Speditionen zuständig. Kühne + Nagel etwa bringt im Auftrag des US-Konzerns Moderna deren in der Schweiz hergestellte und in Spanien abgefüllte Produkte vom Zentrallager in Belgien in eines der österreichischen Phago-Lager. „Den Pharmabereich entwickeln wir seit vielen Jahren systematisch, wir sind daher, auch mit unseren Kühl-Lkw, für derartige Aufgaben gerüstet“, erklärt Unternehmenssprecher Dominique Nadelhofer. Die Vakzine werden streng getrennt von anderen Waren geliefert: „Erstens aus Sicherheitsgründen. Und zweitens sähen es die Pharmakunden nicht gern, würden wir ihre Produkte gemeinsam mit anderen transportieren.“ Von der Kapazität her sieht Nadelhofer kein Problem: „Theoretisch passen in einen einzigen Pharma-Trailer rund 3,8 Millionen Impfdosen.“

Investitionen in Infrastruktur

Der internationale Versandspezialist DHL versorgt zahlreiche Länder mit den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und AstraZeneca. „Seit Beginn der Auslieferung über DHL Express haben wir den Impfstoff auch in Österreich zugestellt“, sagt Unternehmenssprecher Michael Viehböck. Geliefert wird an mehrere Phago-Lager. „Wo es sinnvoll war, haben wir in zusätzliche Infrastruktur investiert, unter anderem in Ultra-Tiefkühltruhen, und wir haben die Mitarbeiter im Umgang mit Ultratiefkühlsendungen geschult.“ Wichtige Lieferketten seien dadurch nicht beeinträchtigt, bestätigt DHL, zumal man auf ein umfangreiches Portfolio an alternativen Serviceleistungen und auf ein großes Partnernetzwerk zurückgreifen könne. Wie viele Dosen an Covid-19-Vakzinen heuer in Österreich tatsächlich verimpft werden, ist derzeit noch unklar. Probleme wie in den USA sollte es hierzulande jedenfalls nicht geben.

AUF EINEN BLICK

Die verschiedenen Covid-19-Impfstoffe werden von international agierenden Speditionen an die fünf Mitgliedsbetriebe der Phago geliefert, und zwar ausschließlich per Lkw. Diese sind dann mit ihren eigenen, auf Pharmalieferungen spezialisierten Flotten für die Weiterlieferung zu den Impfstellen verantwortlich. Die Phiolen werden jeweils vormittags in den österreichweit 17 an der Impfstoff-Verteilung beteiligten Lagern der Phago vorbereitet und nachmittags an den Impfstellen abgegeben. Manche Vakzine müssen dabei in speziellen Behältnissen verstaut werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2021)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.