Holzlogistik

40 Tonnen in 40 Sekunden

Wetterextreme und Borkenkäfer haben in den vergangenen Jahren für eine massive Zunahme an Schadholz gesorgt. In der Holzwirtschaft versucht man, mit Hightech die Aufarbeitung zu beschleunigen.

Für den Spruch „kleine Ursache, große Wirkung“ ist der sich von Holz und Rinde ernährende Borkenkäfer wohl ein Paradebeispiel. In Jahren der Massenpopulation können die Käfer ganze Wälder zerstören. Allein in Niederösterreich waren im Vorjahr mehr als 20.000 Hektar Wald betroffen, was flächenmäßig knapp der Hälfte der Stadt Wien entspricht. Um die Ausbreitung einzudämmen, müssen befallene Bäume so rasch wie möglich geschlägert und abtransportiert werden. Wie man dieser logistischen Herausforderung mit innovativer Technologie begegnet, zeigt ein Projekt der Bundesforste in Amstetten.

Auf dem zehn Hektar großen Gelände eines ehemaligen Sägewerkes in Amstetten wird Schadholz gesammelt, um später weitertransportiert zu werden. Im Sommer 2020 wurde gemeinsam mit Papierholz Austria und dem steirischen Unternehmen Felix Systems als Logistikpartner ein Projekt gestartet, um den gesamten Lagerprozess – von der Zufahrt über das Wiegen bis hin zur Verladung – vollelektronisch und zur Gänze kontaktlos abzuwickeln. „Dies ist die erste Anlage dieser Art in Österreich. Für die Errichtung einer Schrankenanlage, die Erweiterung des bestehenden IT-Systems und den Einsatz neuer Software wurden rund 600.000 Euro investiert“, berichtet Wolfgang Holzer, Leiter des Holzeinkaufs und der Logistik der Österreichischen Bundesforste.

Kontaktlose Übernahme

Bei der Anmeldung am Lagerplatz wird das Lkw-Kennzeichen von einer Kamera erkannt, die Lieferung einem Auftrag zugeordnet und der Laster zum vollautomatischen Wiegen auf einer mit Sensoren ausgestatteten mobilen Brückenwaage weitergeleitet. Weder das Bedienen eines Terminals noch eines Touchscreens sind erforderlich. Das exakte Gewicht – voll beladen kommen rund 40 Tonnen auf die Waage – wird elektronisch ermittelt und die Ladung fotodokumentiert. Nach dem Wiegen gibt die Brücken-Ampel grünes Licht und leitet den Lkw zur Verladung weiter. „Eine komplette Lkw-Ladung – im Schnitt rund 30 Festmeter Holz – kann so in kürzester Zeit erhoben werden. In Summe dauert die kontaktlose Holzübernahme nicht länger als 40 Sekunden“, erklärt Rudolf Freidhager, Vorstand der Bundesforste.

Intelligent und „giga“

Im Vollbetrieb werden 30 bis 40 Lkw pro Stunde in der Hightech-Vermessungsstation in Amstetten abgewickelt. Laut Freidhager wird damit ein wichtiger Beitrag zur Entlastung des Holzmarktes und zum Forstschutz geleistet, „insbesondere in einer vom Klimawandel mit hohem Borkenkäferaufkommen besonders stark betroffenen Region.“ Zwei Jahre sollen die Baumstämme maximal auf Lager liegen, der Weitertransport erfolgt für etwa drei Viertel des Holzes per Bahn. Zum Einsatz kommen vom steirischen Unternehmen Innofreight neu entwickelte „Smart GigaWood“-Waggons. Giga steht dabei für die Ladekapazität der Rundholzwagen, die im Vergleich zu normalen Waggons die doppelte Menge aufnehmen können. Für die smarte Komponente sorgen ein digitales Lastenheft sowie die Ausstattung mit Zustandsdetektoren und GPS-Tracking. „Damit kann man die Waggons nicht nur verlässlich instand halten, sondern auch in ganz Europa nachverfolgen. Diese Lösung bringt eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit für die Bahn als umweltfreundliches Transportmedium“, sagt Hannes Pichler, Leiter Innovation und Projektmanagement bei Innofreight Solutions.

Gebinde auf Abruf

Smarte Holzlogistik lautet auch das Schlagwort für ein 2020 gestartetes Pilotprojekt mit Fraunhofer Austria als Konsortialführer („Physical Internet through Cooperative Austrian Logistics“). Dafür wurden kooperativ genutzte Transportgebinde für die Holzwirtschaft entwickelt, die aktuell im Murtal und im Lungau im Einsatz sind. Die Gebinde werden den Waldbauern auf Abruf über App zur Verfügung gestellt, nach der Beladung auf die Schmalspurbahn verladen, am Knoten auf die Normalspur umgeschlagen und in den Hauptlauf geschickt. „Im Pilotprojekt werden etwa 30.000 der derzeit 100.000 Tonnen Transportvolumen von der Straße auf die Bahn verlagert“, berichtet Sandra Stein von Fraunhofer Austria. Durch die Standardisierung der Gebinde verringern sich zudem die Dauer und Anzahl kostenaufwendiger Kranungsvorgänge. Auch die teils langen Wartezeiten auf den Abtransport fallen weg, da die Gebinde von den einzelnen Waldbauern angefordert werden und Zustellung und Abfuhr koordiniert erfolgen.

AUF EINEN BLICK

Im Jahr 2019 betrug der Schadholzan-teil aufgrund von Borkenkäfer- und Sturmschäden mehr als 60 Prozent des Gesamteinschlags in Österreich. Die logistische Herausforderung der Abwicklung solcher Mengen wird oft durch fehlende Transport- und Lagerkapazitäten erschwert, die zu kostenintensiven Liefer- und Wartezeiten entlang der Supply Chain führen. Mit innovativen Technologien versucht man, diese Engpässe zu beseitigen. Dazu gehört unter anderem die Automatisierung der Lagerplätze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2021)

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