Bahntechnik

Zug um Zug zur Digitalisierung

(C) RCA/David Payr
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Ob im laufenden Betrieb, der Instandhaltung oder der Vermarktung – mit einer Reihe von Innovationen bahnt sich ein neues Zeitalter des Schienenverkehrs an.

Der Verkehr ist nach wie vor einer der Treiber des Klimawandels. „Wir werden die Klimaziele nur erreichen, wenn es uns gelingt, mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass der Güterverkehr bis 2030 um 30 Prozent zunehmen wird“, sagt Bernd Winter, Sprecher der ÖBB Rail Cargo Group (RCG).

Österreich sei diesbezüglich bereits gut unterwegs: Rund 30 Prozent der Güter werden hier bereits mit der Bahn befördert, EU-weit sind es etwa 18 Prozent. Genau da setzt die Initiative Rail Freight Forward (RFF), ein Zusammenschluss europäischer Güterbahnen, zu dem auch die Rail Cargo Group gehört, an: Ziel ist es, den Anteil des Schienengüterverkehrs am Modal Split bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen, und zwar mithilfe eines intelligenteren Verkehrsmix und durch Innovationen. Die Attraktivität und Produktivität des Schienenverkehrs soll damit gesteigert werden. Einer der größten Hebel ist für die RCG dabei die Digitalisierung.

Digitale Kupplung

Als Teil der RFF-Initiative wird beispielsweise an der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) gearbeitet. Derzeit müssen Güterwaggons noch per Hand gekuppelt und kontrolliert werden. Mittels DAK, einer Mittelpufferkupplung mit einer Luft-, Strom- und Datenleitung, soll das künftig weitgehend automatisiert erfolgen. „Das erleichtert nicht nur die Arbeit, mit der DAK wird auch erstmals eine durchgängige Strom- und Datenverbindung am Wagen sichergestellt. Die Züge werden somit auch intelligent“, erläutert Winter. Noch werden unterschiedliche Kupplungen von vier verschiedenen Herstellern auf Herz und Nieren getestet, auf Basis dieser Erfahrungen will das Konsortium dann eine Entscheidung treffen. Danach muss sich der europäische Schienengüterverkehr noch auf ein Kupplungsdesign einigen.

Unabhängig davon zielt auch das Projekt „Smart Cargo“ von Rail Cargo und A1 auf intelligentere Waggons ab. Spezielle, am Wagenkasten montierte Telematikgeräte sollen dabei Kunden und Bahn umfassende Informationen liefern – von Tracking & Tracing, Abfahrts- und Ankunftsbenachrichtigungen bis zur Ankunftszeit des Wagens.

Der Vorteil liegt im deutlich effizienteren Wagenmanagement. Dazu zählen laut RCG die Reduktion des Wartungsaufwandes und der Wagenkosten, eine erhöhte Beistellungsquote, eine optimierte Vor- und Nachlaufkalkulation sowie eine verbesserte Flottensteuerung zur Instandhaltung.

Schienenwartung

Digitale Systeme sollen allerdings nicht nur die Instandhaltung der Wagen, sondern auch jene der Schienen unterstützen. „Gleise und Weichen sind von der Menge her die teuersten Assets im Bahnbereich“, sagt Peter Veit, Leiter des Instituts für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft an der TU Graz. Bereits seit Anfang der 2000er-Jahre werde die Infrastruktur regelmäßig gemessen, sei es einige Male pro Jahr, sei es permanent. „Jetzt geht es darum, das Mess-Equipment auf die Züge zu bringen, um spezifische Effekte, wie beispielsweise die Verkehrsbelastung, zeitnah zu erkennen und Trends ablesen zu können“, erklärt der Universitätsprofessor. Diese Erkenntnisse könnten zu einer neuen, optimierten Berechnung der Schienenmaut beziehungsweise des Infrastrukturbenützungsentgelts herangezogen werden. „Wir haben ein derartiges Projekt, bei dem der Verschleiß durch die Fahrzeuge mittels Kennzahlen aufgezeigt wird, bereits in der Schweiz umgesetzt“, berichtet Veit.

Doch auch im laufenden Betrieb erweist die Digitalisierung gute Dienste. So ist etwa der Lokomotivbedarf einer der großen Kostentreiber im Fahrbetrieb der RCG. Um den Triebfahrzeugbedarf zu optimieren und Leerkilometer zu reduzieren, setzt Rail Cargo daher künftig auf eine digitale Lokumlaufplanung. Damit soll der Lokbedarf deutlich reduziert, die Flexibilität erhöht und die Planungsqualität insgesamt verbessert werden.

Ein weiteres Tool zur Optimierung des Schienengüterverkehrs ist Railvis.com. Die Online-Plattform listet unter anderem freie Güterwagen-, und Lokomotivkapazitäten auf. „Der traditionelle Prozess der Bestellung und des Angebots von Bahntransporten ist sehr ineffizient“, erläutert Adam Fronek, Direktor und Mitbegründer der Plattform. „Unsere Plattform ermöglicht es den Nutzern, online bequem aus den kosten- und zeitgünstigsten Optionen wählen.“ Gleichzeitig können Unternehmen eigene Eisenbahnwagen, die zu gewissen Zeiten ungenutzt herumstehen, zur Vermietung anbieten.

INNOVATIONSMOTOR

Rail Freight Forward(RFF) ist eine Initiative europäischer Güterbahnunternehmen zur Reduktion der negativen Auswirkungen des Güterverkehrs auf die Umwelt. Ihr Ziel ist es, den modalen Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene mittels Innovation und eines intelligenten Verkehrsmix bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2021)

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