Karriere

„Bei meinem Einstieg war ich ein Alien“

Young warehouse workers working together.
Young warehouse workers working together.(c) Getty Images/iStockphoto (Halfpoint)
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Die Logistik ist nach wie vor eine Männerdomäne. Doch der Frauenanteil in der Branche steigt sukzessive – auch dank Digitalisierung, Automatisierung und Robotik.

An den Schalthebeln des Logistiksektors sind zwar längst nicht mehr nur Männer vertreten, doch sie dominieren nach wie vor diesen Berufszweig. „In den letzten Jahren ist der Frauenanteil im Bereich Verkehr zwar konstant gestiegen, aber in Summe liegt er über die letzten zehn Jahre gesehen konstant bei 20 Prozent“, sagt Sandra Eitler, Fachbereichsleiterin für Transport und Verkehr in den Studiengängen Logistik und Transportmanagement an der FH des BFI Wien. In der Regel finden sich Frauen nach wie vor eher in den Bereichen Einkauf, Personal, Controlling, Finanzen, Disposition oder Marketing, also eher im Büro. „Logistischer Vertrieb, Lager und Umschlag sind wie der Führungsbereich hingegen überwiegend männlich besetzt“, erzählt Doris Pulker-Rohrhofer, technische Geschäftsführerin des Hafen Wien und Vorstandsmitglied des Damenlogistikclubs.

Ausbildung ausgeglichen

Interessant sei allerdings, dass sich im Bereich der Ausbildung der Männer- und Frauenanteil die Waage halte: „Im Schnitt sind 50 Prozent der Studierenden in unseren Bachelor- und Masterstudiengängen Frauen“, erzählt Eitler. Dass diese der Branche im Laufe des Berufslebens verloren gingen, führt sie auf verschiedene Gründe zurück. „Noch immer haben Frauen den Großteil der Kinderbetreuung zu stemmen“, meint Eitler. Dazu komme, dass nach wie vor die Meinung verbreitet sei, Jobs in der Logistik seien extrem kräfteraubend. „Das stimmt zumindest im Lager und bis zur Laderampe eines Lkw nicht mehr“, sagt Beate Färber-Venz, Geschäftsführerin von Venz Transporte und Obfrau der Sparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Denn Digitalisierung, Automatisierung und Robotik würden die Arbeiten im Bereich des Lagerwesens deutlich erleichtern. „Der Beruf des Lkw-Fahrers ist hingegen immer noch extrem anstrengend“, betont die Expertin. Noch dazu handle sich dabei um einen nicht gerade familienfreundlichen Job.

Branche mit Imageproblem

Fakt ist, dass viele Frauen nach wie vor lieber in Industriebetrieben als in Logistikunternehmen anheuern. „Für High Potentials scheint die Branche nicht attraktiv genug zu sein“, meint Eitler. Angesichts des herrschenden Personalmangels sei es daher höchste Zeit, die Attraktivität des Logistiksektors in den Vordergrund zu rücken. „Es ist eine unglaublich spannende und coole Branche mit ebensolchen Tätigkeitsfeldern“, schwärmen Pulker-Rohrhofer und Eitler unisono. Eitler verweist etwa auf den Verkehrssektor: „Da denkt man gleich an den Straßenverkehr. Aber man darf nicht übersehen, dass es daneben noch viele andere Verkehrsträger gibt.“ Sie ist davon überzeugt, dass Frauen in Zukunft deutlich bessere Voraussetzungen für ihren Einstieg in die Branche finden werden. „Alle Routinetätigkeiten, etwa in einem Lager, werden künftig automatisiert, während den Menschen jene Aufgaben zufallen, für die man Kreativität, Flexibilität und Serviceorientierung braucht“, betont die Expertin. Diese Jobs wiederum könne man zeitlich und örtlich flexibel ausüben, was Frauen entgegen komme. Daneben würden Eigenschaften, die tendenziell weiblich konnotiert sind, wie Teamwork, Effizienz, Entscheidungs- und Konfliktmanagement sowie die Bereitschaft zu Innovationen, immer wichtiger.

Weibliche Karte ausspielen

Färber-Venz hat in diesem Zusammenhang für Frauen, die in der Logistikbranche Fuß fassen und weiterkommen wollen, zwei Tipps parat: „Erstens: Es handelt sich um eine Branche mit Zukunft. Das andere ist, das mitzunehmen, was uns als Frauen ausmacht: Nämlich ein Gespür für Menschen zu haben und auf das Gegenüber einzugehen. Frauen sollen nicht versuchen, die besseren Männer zu sein.“ Mindestens genau so wichtig seien Frauensolidarität und Netzwerke. „Als ich vor 32 Jahren in die Branche eingestiegen bin, war ich ein Alien. Es hat darin kaum Frauen gegeben und somit auch kein Netzwerk“, erinnert sie sich.

Das habe sich glücklicherweise geändert – auch dank des 2014 gegründeten Damenlogistikclubs (DLC), in dem mittlerweile mehr als 100 österreichische Entscheidungsträgerinnen aus der Transport- und Logistikbranche, Industrie und Handel sowie den Ministerien vertreten sind. Vor wenigen Monaten wurde ein Mentoringprogramm gestartet, das jungen Frauen den Einstieg in die Branche erleichtern soll (siehe Infokasten).

FRAUENNETZWERK

Der 2014 gegründete Damenlogistikclub(DLC) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Präsenz und Leistung von Frauen in der Logistikbranche besser sichtbar zu machen. Zu den Aktivitäten gehört unter anderem ein gemeinsam mit der Fachhochschule des BFI initiiertes Mentoringprogramm, das jungen Frauen den Einstieg in die männerdominierte Branche erleichtern soll. Das im Herbst 2020 gestartete Projekt richtet sich an Studentinnen und Absolventinnen der Bachelor- und Masterstudiengänge Logistik und Transportmanagement und läuft über 18 Monate. www.damenlogistikclub.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.04.2021)

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