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„Big Shot“: Therapie im Turnlehrerkammerl

Disney+
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Es wollen doch alle nur geliebt werden: Mit der Geschichte eines schroffen Basketballtrainers, der für das Team einer Elite-Mädchenschule zum Ersatz-Papa wird, liefert Disney+ strahlenden Heile-Welt-Eskapismus.

Die Trends der Film- und Serienbetitelung wären einmal eine Untersuchung wert. Vor einiger Zeit war Güte ein Maßstab, dem bei Serien – ironisch oder nicht – Rechnung getragen wurde: Da gab es die „Good Wife“, den „Good Doctor“, die revoltierenden „Good Girls“ (während im Kino von Müttern bis zum Weihnachtsmann alle „bad“ sein durften). Der routinierte Serienmacher David E. Kelley, der unter anderem Ally McBeal erfunden hat, scheint nun eine Ära des Großen ausgerufen zu haben: Nach seinen „Big Little Lies“ und „Big Sky“ ist ab Freitag die Highschool-Sportdramödie „Big Shot“ auf dem Streamingdienst Disney+ zu sehen.

Und sie könnte genauso gut irgendetwas mit „good“ heißen. Die heile Welt, es gibt sie – im schicken kalifornischen La Jolla, wo einen beim Joggen über die begrünten Steilklippen weiche Sonnenstrahlen begleiten und die Surfer neckisch flirten. Für hochqualitative Bildung ist natürlich auch gesorgt: „Women striving, women thriving“, steht am Tor der Mädchenprivatschule, die Hauptschauplatz der Serie ist. „Diese Mädchen werden einmal die Welt regieren“, erfährt der neue Basketball-Trainer Marvyn Korn (John Stamos, bekannt aus „Full House“), der das Schulteam in neue Höhen führen soll, bei seiner Ankunft.

Für diesen ist die Stelle ein Abstieg, den er erst verkraften muss, nachdem er sich dank mangelnder Aggressionskontrolle aus den ernst zu nehmenden Basketball-Ligen katapultiert hat. Als freudloser Workaholic, der in nächtlichen Überstunden im Turnlehrerkammerl über Ballstrategien brütet, der mit Komplimenten spart, um diese nicht zu entwerten, und der selbst erfundene SMS-Abkürzungen verwendet, die sonst keiner kennt, ist der Figur viel Potenzial eingeschrieben, um sich zum schrullig-liebenswürdigen Ersatz-Papa zu entwickeln, der von seinen sensiblen jugendlichen Schützlingen ebenso viel lernt wie diese von ihm.

Die „Sirens“ betören nur ein bisschen

Es ist eine so konventionelle wie gekonnt fabrizierte (und dabei durchaus unterhaltsame) Eskapismus-Fantasie, die „Big Shot“ hier auffährt. Damit passt die Serie bestens ins Portfolio des Disney-Streamingdienstes, der zuletzt zwar mehr „Erwachsenenprogramm“ angekündigt hat, der Konzernlinie aber doch meist treu bleibt mit familienfreundlicher Feel-good-Ware (darunter mehrere Sport-Dramen), die kaum irgendwo aneckt.

Auch hier scheint alles auf Wohlgefallen zuzusteuern. Flott inszenierte Spielszenen vermitteln auch Basketball-Ahnungslosen heitere Spannung. Nicht einmal die mythologische Bedeutung des Teamnamen – „Sirens“ – wird ausgeschöpft: Ja, diese Mädels wissen um ihre Macht, als CEO-Kinder und als sich ihrer Wirkung bewusster Schülerinnen, die einen Lehrer schnell zu Fall bringen könnten. Aber dann wollen sie doch auch nur geliebt und anerkannt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2021)

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