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Biden fordert Putin mit neuen Sanktionen heraus

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Die USA weisen zehn russische Diplomaten aus und verhängen eine Reihe neuer Sanktionen. Damit reagieren die USA auf Hackerangriffe, die Moskau zugeschrieben werden und Einmischungen in die Wahlen.

Als Vergeltung für Moskau zugeschriebene Hackerangriffe und Einmischungen in die US-Wahlen weisen die USA zehn russische Diplomaten aus und verhängen eine Reihe neuer Sanktionen. Unter den Diplomaten der Vertretung in Washington seien auch fünf Mitarbeiter russischer Geheimdienste, erklärte das Weiße Haus am Donnerstag. Zudem wird US-Finanzunternehmen der Handel mit russischen Staatsschulden verboten, die ab Mitte Juni ausgestellt werden.

Die Maßnahme werde die Kosten für Moskaus Schuldendienst erhöhen,
zu Kapitalflucht führen und den Rubel und die russische Wirtschaft
schwächen, sagte ein ranghoher Vertreter der US-Regierung. Die
russischen Gegenmaßnahmen sollen demnächst folgen. Allerdings kann
Russland, das im Vergleich zu den USA wirtschaftlich schwach ist,
den Sanktionen kaum etwas entgegensetzen.

Für Moskau kam die Nachricht nach einem Telefonat von
US-Präsident Joe Biden mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin
am Dienstag zwar nicht unerwartet. Dennoch reagierte die russische
Seite wütend, nachdem Biden Putin ein persönliches Treffen angeboten
hatte und nun wieder "das große Sanktionsrad dreht". Schon die
bisherigen Sanktionen unter anderem im Ukraine-Konflikt und wegen
der Vergiftung des Kremlgegners Alexej Nawalny mit dem chemischen
Kampfstoff Nowitschok machen Russland zu schaffen.

Biden zu „weiteren Maßnahmen“ bereit

Trotz der neuen Sanktionen will Washington nach den Worten von
Biden die Spannungen mit Moskau nicht weiter verschärfen. "Die USA
sind nicht darauf aus, einen Kreislauf der Eskalation und des
Konflikts mit Russland einzuleiten", sagte Biden am Donnerstag im
Weißen Haus. Er warnte zugleich: "Wenn Russland sich weiterhin in
unsere Demokratie einmischt, bin ich bereit, weitere Maßnahmen zu
ergreifen." Die jetzt verhängten Sanktionen hätten härter ausfallen
können, sagte Biden. Er habe sich aber dazu entschlossen,
"verhältnismäßig" zu reagieren.

In Moskau informierte US-Botschafter John Sullivan bei einem im
Vorfeld anberaumten Termin Vize-Außenminister Sergej Rjabkow über
die Strafmaßnahmen, wie er mitteilte. Er nannte das Gespräch am
Abend "professionell und respektvoll". Dagegen hatte
Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa behauptet, es habe sich um
eine "Einbestellung" gehandelt und zwar zu einem harten und nicht
freundlichen Gespräch. "Ein solch aggressives Verhalten wird ohne
Zweifel eine Abfuhr erhalten, eine Antwort auf die Sanktionen wird
unabwendbar sein."

Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte im Fernsehsender
CNN erklärt, es gehe darum, "eine bedeutende und glaubwürdige
Antwort zu liefern, aber nicht, die Situation eskalieren zu lassen".
Es handle sich um "angemessene" Maßnahmen, um die US-Interessen zu
verteidigen, sagte er. Die USA und Russland könnten trotz ihrer
Differenzen bei verschiedenen Themen, etwa Fragen der Abrüstung,
zusammenarbeiten und eine "stabile und vorhersehbare Beziehung"
haben, sagte Sullivan.

Gipfeltreffen in Drittland

Russische Außenpolitiker sagten, dass Russland "spiegelgenau"
reagieren und im Gegenzug ebenfalls zehn US-Diplomaten ausweisen
werde. Russland hatte die Anschuldigungen, sich in die Wahlen
eingemischt und Hacker auf US-Infrastruktur angesetzt zu haben,
stets als haltlos zurückgewiesen und Beweise gefordert.

Der Außenpolitiker Leonid Sluzki sagte, dass es vor diesem
Hintergrund schwierig sei, über Perspektiven eines Treffens Putins
mit Biden zu sprechen. Sanktionen würden keinen "konstruktiven Ton"
für solche Gespräche setzen, sagte der Chef des Auswärtigen
Ausschusses im russischen Parlament.

Im Kreml hieß es dazu nun, dass Sanktionen für solche Gipfelpläne
nicht hilfreich seien. Allerdings müssten am Ende die Staatschefs
selbst entscheiden, ob sie sich treffen. Als ausgeschlossen galt,
dass der Gipfel schon in den nächsten Wochen zustande kommt. Die
Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte, die Einladung Bidens
an Putin für ein Gipfeltreffen in einem Drittland stehe weiterhin.
Aus US-Sicht wäre ein solches Treffen ein guter Schritt nach vorne,
um "eine stabile und berechenbare Beziehung" zu schaffen.

Auswirkungen auf US-Banken

Auf die russische Wirtschaft hätten die neuen US-Sanktionen keine
Auswirkungen, meinte der Senator Wladimir Dschabarow im
Föderationsrat in Moskau. Auch würden die westlichen Investoren
Schlupflöcher finden, um weiter in die attraktiven russischen
Staatsanleihen zu investieren. Experten wiesen zudem auf die
vergleichsweise geringe Auslandsverschuldung Russlands hin, weshalb
das Land keine dramatischen Folgen befürchten müsse.

Die Finanzbehörden in Moskau kündigten bereits Schritte an, um
die Risiken für Investoren zu minimieren. Die neuen Sanktionen
würden zunächst vor allem die Arbeit von US-Banken in Russland
erschweren, meinte der Chef der Vertretung der Amerikanischen
Handelskammer in Moskau, Alexis Rodzianko. Langfristig könne es
Russland schwerer haben, sich Geld am Markt zu leihen.

Etwa ein Viertel der russischen Schuldentitel seien in der Hand
ausländischer Investoren, sagte ein ranghoher Vertreter der
US-Regierung. Das Verbot werde sich nicht nur auf US-Banken
auswirken, sondern einen "weitergehenden abschreckenden Effekt
haben". Das Handelsverbot bezieht sich auf den Primärmarkt für
Rubel-Anleihen und für Titel in Fremdwährungen, also zum Beispiel
Euro oder US-Dollar. Der Präsident habe "maximale Flexibilität", das
Verbot bei Bedarf zu verschärfen, warnte er.

Russland müsse wissen, dass die USA "ihre nationalen Interessen
verteidigen" und Moskau für feindliche Handlungen bestrafen werden,
teilte das Weiße Haus mit. Die NATO-Partner unterstützten die
US-Sanktionen. "Wir stehen solidarisch an der Seite der Vereinigten
Staaten", heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten
Erklärung.

32 Personen und Organisationen sanktioniert

Sechs russische Technologiefirmen, die Moskaus Geheimdienste
unterstützen, werden demnach mit Sanktionen belegt. Zudem würden 32
Personen und Organisationen sanktioniert, die auf Moskaus Geheiß
versucht hätten, die US-Wahlen zu beeinflussen, teilte das Weiße
Haus mit. Acht weitere Personen oder Firmen würden in Absprache mit
US-Verbündeten, darunter der Europäischen Union, wegen Russlands
anhaltender Besetzung der Schwarzmeer-Halbinsel Krim mit Sanktionen
belegt. Die transatlantische Gemeinschaft stehe vereint zur Ukraine
und fordere Russland auf, den jüngsten Truppenaufmarsch entlang der
Grenze und seine aggressive Rhetorik zu stoppen, hieß es.

Die Sanktionen sollen unter anderem Vergeltung für einen massiven
Hackerangriff auf Ministerien, Behörden und Firmen in den USA sein,
hinter dem amerikanische Sicherheitsbehörden Russland vermuten. Die
Angreifer hatten sich Zugang zu den Netzen über vielerorts genutzte
Wartungssoftware der Firma SolarWinds verschafft und waren über
Monate unentdeckt geblieben. Der im Dezember bekannt gewordene Fall
war ein peinlicher Rückschlag für amerikanische Sicherheitsdienste.

Kopfgeld auf US-Soldaten

Das Weiße Haus erklärte, die USA machten nun offiziell den
russischen Auslandsgeheimdienst SWR für den Hackerangriff
verantwortlich. Der Cyber-Angriff habe Russland die Möglichkeit
gegeben, weltweit mehr als 16.000 Computersysteme auszuspionieren
oder zu stören. Der SWR wies das zurück.

Die US-Regierung verhängt auch Maßnahmen wegen eines angeblich
von Russland ausgelobten Kopfgelds, das Terroristen in Afghanistan
zu Angriffen auf US-Soldaten ermuntern sollte. Diese Handlungen
würden aber nur auf militärischem und diplomatischem Weg sowie durch
die Geheimdienste kommuniziert, weil es dabei auch um die
"Sicherheit und das Wohlergehen" der US-Truppen gehe, erklärte das
Weiße Haus.

(APA/dpa)

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