In letzter Zeit haben Nebenwirkungen eine große Berühmtheit erlangt.
Ich wette, noch nie in der Geschichte ist auf den Titelseiten der großen Zeitungen so viel über Nebenwirkungen geschrieben worden. Höchstens über Nebenwirkungen von Atomabkommen oder islamischen Terrorvereinigungen. Aber nicht über die Nebenwirkungen von Medikamenten. Wobei früher nicht einmal auf den Beipackzetteln so viel über Nebenwirkungen zu lesen war. Früher hat man den Nebenwirkungen höchstens einen Absatz gewidmet.
Seit die Justizabteilungen der Pharmafirmen das Beipackzetteltexten übernommen haben, findet man vor lauter Nebenwirkungen die Hauptwirkungen nicht mehr. Wer bei einem Medikament den Beipackzettel verloren hat, muss sich also nicht ärgern. Denn aus einem Beipackzettel die Wirkung eines Medikaments herauszulesen ist sowieso nur etwas für Tüftler. Für Leute, die auch einen defekten Toaster auseinander- und wieder zusammenbauen. Oder 15 Jahre an einem Teppich herumweben. Das Nebenwirkungen-Lesen ist auch nichts für Menschen mit schwachen Nerven.
Da wird einem bei der Einnahme einer schlichten Pille gegen meinetwegen Muskelschmerzen mit „epileptischen Anfällen“ gedroht. Oder bei einem Mittel gegen Übelkeit mit „Suizidgedanken“. „Mundtrockenheit“, „Hautausschläge“ und „Durchfall“ schluckt sowieso jeder Patient mit seiner Kopfschmerztablette hinunter. Ich finde, auf Beipackzetteln sollte es eine Triggerwarnung geben. Wenn das Lesen von Ovids „Metamorphosen“ oder Rudyard Kiplings „Dschungelbuch“ schon zu Angstzuständen führen kann, kann das Lesen von Nebenwirkungen mindestens zu Hypochondrie führen. Und manchmal kann das Lesen von Nebenwirkungen auch zu Hysterie führen.