Hypo: München ermittelt gegen Wiener Journalisten

Hypo Muenchen ermittelt gegen
Hypo Muenchen ermittelt gegen(c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)
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"News"- und "profil"-Reporter hatten aus Gerichtsakten zur Causa Hypo Alpe Adria zitiert. In Österreich ist das erlaubt, in Deutschland nicht. Dennoch hat die Wiener Staatsanwaltschaft die Journalisten vernommen.

Die Staatsanwaltschaft München 1 ermittelt gegen Journalisten der Nachrichtenmagazine "profil" und "News", die über das Verfahren rund um die Hypo Alpe Adria-Affäre berichtet und dabei aus Gerichtsakten zitiert hatten. Wie "News" in einer Aussendung bekannt gab, wurde Chefreporter Kurt Kuch am Donnerstag von den  österreichischen Behörden über das Rechtshilfeersuchen aus München verständigt und zu einer Stellungnahme eingeladen. Die Münchner Staatsawanwaltschaft hatte ein Vermittlungsverfahren eingeleitet und Ende Juni einen Auslieferungsantrag gestellt, weil Kuch Ausschnitte aus Ermittlungsakten veröffentlichte - was nach österreichischem Recht legal und üblich ist.

In Deutschland ist es dagegen verboten, aus Gerichtsakten zu zitieren, bevor sie in öffentlichen Verhandlungen Thema waren. Zuwiderhanden wird mit Geldbußen oder Freiheitsbußen von bis zu einem Jahr geahndet. Da das Magazin "News" auch in Deutschland im Abonnement und in Trafiken vertrieben wird, kann das deutsche Recht anscheinend auch für in Österreich publizierte Berichte heikel werden - selbst wenn es zum § 353d des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB) im heimischen StGB keine Entsprechung gibt.

Ebenfalls im Visier der bayerischen Anklagebehörde befinden sich "profil"-Wirtschaftsressortleiter Michael Nikbakhsh und seine Kollegin Ulla Schmid. Im Gegensatz zu Kuch wurden sie bereits ohne rechtliche Deckung auf Basis eines Rechtshilfeersuchens der Staatsanwaltschaft München formal als Beschuldigte vernommen worden.

Heimische Staatsanwaltschaft räumt Fehler ein

Dass sich in Wien ein Staatsanwalt fand, der die "profil"-Journalisten für die Münchner Kollegen - das Rechtshilfeersuchen stammt vom 28. Juni - befragte, ohne abzuklären, ob gegen diese ein darüber hinausreichender Verdacht vorliegt, bezeichnete die Sprecherin der Wiener Oberstaatsanwaltschaft, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, als "Missverständnis" und "Fehler".

Weiters räumte sie ein:  "Nach unserer Rechtslage wird Rechtshilfe nur dann geleistet, wenn die vorgeworfene Straftat auch in Österreich eine Straftat oder eine Verwaltungsstraftat darstellt". Sollte den Reportern neben dem Delikt "Verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen" (zu dem es im heimischen Gesetz keine Entsprechung gibt) von Münchner Seite nichts vorgeworfen werden, "werden wir keine Rechtshilfe leisten", betonte sie. Die offensichtlich übereilig angefertigten Einvernahmeprotokolle mit Nikbakhsh und Schmid würden in diesem Fall "vernichtet".

"Anschlag auf die österreichische Medienfreiheit"

Kuch sprach von einem "groben Anschlag aus Deutschland auf die österreichische Medienfreiheit. Hier sollen österreichische Journalisten durch eine deutsche Staatsanwaltschaft mundtot gemacht werden". Jeder österreichische Journalist müsse sich künftig überlegen, "ob seine Enthüllungen in irgendeinem Land, in dem das Medium erhältlich ist, gegen Strafgesetze verstößt und er Gefahr läuft, vorm Strafrichter zu landen". Damit werde letztlich "jeglicher Enthüllungsjournalismus von seriösen Medien künftig unmöglich sein".

Für Nikbakhsh ist der Fall ein "Justizskandal ersten Ranges", dass das Rechtshilfeansuchen der bayerischen Justiz von der Staatsanwaltschaft Wien "umstandslos gebilligt" wurde, wie er auf seinem Blog festhielt.

Die internationale Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen bezeichnete das Vorgehen der Wiener Anklagebehörde als "grobe Verletzung von Pressefreiheit und Meinungsvielfalt in Österreich". Auch Auch Franz C. Bauer, Präsident der Journalistengewerkschaft, zeigte sich über die Vorgehensweise der österreichischen Staatsanwaltschaft empört.

(Ag./Red.)

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