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Mitreden: Wer will heute eigentlich noch in die Politik gehen?

Der Rücktritt von Anschober führt auch zu Diskussion rund um den Politiker-Beruf: Ist es noch eine Option für die besten Köpfe? Wird Politikern zu viel zugemutet? Und: Haben Sie selbst Erfahrungen in der Politik gemacht? Diskutieren Sie mit!

Wer in die Politik geht, muss eine dicke Haut haben. Doch wird den Politikerinnen und Politikern zu viel zugemutet? Und zieht er noch die richtigen Personen an? Die Debatte wurde durch den Rücktritt von Gesundheitsminister Rudolf Anschober neu angeheizt. 

Er wolle sich „nicht kaputt machen", so der grüne Politiker. Gedanken dazu hat sich Ulrike Weiser in einem Leitartikel gemacht. „Natürlich lag die Überlastung auch an ihm selbst. Er hätte es sich etwas leichter machen können: weniger Interviews, weniger Termine. Aber vielleicht ist man, gerade wenn man das Pickerl 'Burn-out' auf der Stirn kleben hat, versucht, zu beweisen, dass man besonders viel leisten kann. Und vielleicht hat es einer, der es stets konsensual anlegt, der Fehler bei sich selbst sucht und sich entschuldigt, in der Politik besonders schwer. Wobei man sich fragen muss: 14 Monate durcharbeiten – hätte das denn irgendjemand anderer gekonnt?"

Auch andere Politiker begründetet in den vergangenen Jahren ihren Rücktritt mit der starken Belastung, zum Beispiel Ex-Neos-Chef Matthias Strolz, der in Interviews unter anderem erklärte, hätte er den Schritt nicht gesetzt, wäre seine Ehe wohl gescheitert. Der "Alptraum-Job Politiker" stand auch im Zentrum einer Diskussions-Sendung auf „Puls 4“, bei der Strolz neben Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und der ehemaligen grünen Front-Frau Eva Glawischnig. Dass die Politik hemmungsloser, härter geworden sei, da war man sich einig. Mitterlehner und Glawischnig nannten aber auch - oder vor allem - ihre eigenen Parteien als Rücktrittsgrund. Auch „aus Trotz“ sei sie zu Novomatic gegangen, so Glawischnig Mittlerweile ist sie übrigens wieder ausgeschieden.

Es gibt ein Leben nach der Politik, schreibt Oliver Pink und analysiert„die verschiedenen Typen im postpolitischen Raum". Manche von ihnen mischen sich natürlich immer noch gern mit Kommentaren in die Tagespolitik ein.

Aber nicht nur das müssen sich aktive Politiker gefallen lassen. Anschober berichtete bei der Pressekonferenzen etwa darüber, wie er bedroht wurde und Polizeischutz benötigte. Auch andere Regierungsmitglieder, etwa Justizministerin Alma Zadic (Grüne) oder Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), mussten sich mit extremen Anfeindungen und den Konsequenzen auseinandersetzen. Auch Neo-Minister Martin Kocher hat bereits Erfahrungen mit persönlichen Angriffen gemacht, wie er im „Presse"-Interview erzählt: Das nehme einen „mehr mit, als man denkt. Das ist dann oft auch das, was das Fass zum Überlaufen bringt. Nicht so sehr der Stress, sondern die dauernden Angriffe."

Das Thema Privatsphäre hat viele Facetten. Publizist Peter Huemer fragt sich dazu etwa in einem Gastkommentar: „ Sind Nachrichten von gewählten Spitzenpolitikern noch privat oder muss der Schutz des Privaten hier fallen?“ Es geht in seinem Text um die SMS-Nachrichten zwischen Kanzler Sebastian Kurz, Finanzminister Gernot Blümel und Noch-ÖBAG-Chef Thomas Schmid.

Einerseits gehe es um Tagespolitik und Postenschacher, andererseits um „grundlegende demokratiepolitische“ Frage - „ ein unauflöslicher Widerspruch“, so Huemer. Zu beobachten sie jedenfalls, dass „die Achtung vor denen, die uns regieren, in den Medien und in der Öffentlichkeit gewaltig abgenommen hat. Und es ist mit großer Wahrscheinlichkeit zu vermuten, dass dieser Prozess sich in nächster Zeit noch beträchtlich verschärfen wird."

(sk)

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