Optogenetik

Mit Licht den Auslöser einer Sepsis feststellen

Donau Uni Krems.
Donau Uni Krems.APA
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Mehrere Tausend Menschen sterben in Österreich jährlich an einer Sepsis. Neue Diagnose- und Therapieverfahren sind überfällig. Ein Mix aus optischen Technologien und Genetik könnte diese Lücke füllen.

Pro Jahr erkranken in Österreich durchschnittlich 28.000 Menschen an einer Sepsis, etwa 6700 von ihnen sterben daran. Die im Volksmund auch „Blutvergiftung“ genannte Sepsis tritt als Folge einer Infektionserkrankung auf und wird von Mikroorganismen wie Bakterien, Viren oder Pilzen verursacht. Ein besonderes Risiko scheinen Covid-19-Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf zu haben.

Biotechnologen der IMC Fachhochschule (FH) Krems gehen der Frage nach, ob man mit Lichtsignalen feststellen kann, welche Faktoren eine Sepsis auslösen. Werden sie gefunden, können die Erreger schneller und wirksamer ausgeschaltet werden. Eine gezielte Therapie gegen Sepsis ist bisher noch nicht vorhanden. Geleitet wird das Projekt von Christoph Wiesner (Department of Life Science). Sein Team untersucht in Zusammenarbeit mit der Donau-Universität Krems und den Universitätskliniken St. Pölten, wie die Zellen im Körper bei einer Sepsis reagieren. Finanziert wird das FTI-Leuchtturmprojekt „Inflammation, Sepsis und Regeneration“ vom Land Niederösterreich.

Seit 2019 liegt ein Forschungsschwerpunkt Wiesners auf dem Einsatz optogenetischer Methoden. Die Optogenetik ist ein Forschungsgebiet der Biophysik, mit dem der Einfluss von Licht auf bestimmte Zellen und Zellbestandteile sowie auf deren Funktionen untersucht wird. Durch Ein- und Ausschalten des Lichtes kann die Kontrolle über das Verhalten der Zellen erlangt werden.

Immunsystem überreagiert

Das wissenschaftliche Interesse im aktuellen Projekt gilt dem Endothel, einer dünnen Schicht aus Endothelzellen. Diese kleidet das Innere der Blutgefäße aus und grenzt Blut und Gewebe voneinander ab. „Bei einer Sepsis kommt es zu einer Überreaktion des Immunsystems. Das Endothel bricht auf, der Blutdruck sinkt und der Blutkreislauf bricht zusammen“, erklärt Wiesner. „In der Folge treten Fehlfunktionen der unterschiedlichen Organsysteme auf. Das ist eine lebensbedrohliche Situation.“

Sein Team erforscht, was die Infektionsproteine aktiviert und welche Mechanismen zum Überschießen des Immunsystems führen. Es werden physiologisch relevante optogenetische Zellkultur-Modelle generiert, um neue Ansätze für die Behandlung von Sepsis zu finden. Die Oberflächenmoleküle, Toll-like-Rezeptoren genannt, können in diesen Modellen durch Lichtsignale ein- und ausgeschaltet werden. So stellen die Forscher zelluläre Reaktionen in unterschiedlichen Aktivierungsstärken und zeitaufgelöst her. Somit können sie sehr genau untersuchen, welche Botenstoffe bei einer Sepsis wirken.

„Mithilfe von High-Content-Screening, einer Charakterisierung von Zellen im Hochdurchsatz, werden wir Botenstoffe feststellen können, die die Sepsis auslösen oder auch unterdrücken“, hofft Wiesner. Dann seien wichtige Voraussetzungen für neue Therapiemöglichkeiten geschaffen: Es wäre möglich, diese Botenstoffe gezielt zu manipulieren. Für das optogenetische Modell werden durch Licht aktivierbare Proteindomänen aus gelbgrünen Algen in die zu untersuchenden Rezeptoren eingebaut. Wenn die Effektorproteine beleuchtet werden, verändert sich ihre Struktur, was zur Aktivierung führt.

Aktivierbare Tumorzellen

Die Bandbreite, bei denen Wiesner optogenetische Methoden zum Einsatz kommen lässt, ist groß: Für ein Projekt, bei dem Wiesner Pankreas-Tumorzellen dreidimensional nachbildet, die durch Licht aktivierbar sind, kooperierte er etwa mit dem Unternehmen Molecular Devices, einer Firma, die Hochdurchsatzgeräte entwickelt und herstellt. Außerdem erforscht sein Team zusammen mit der Boku Wien und dem Start-up LT Analytics, wie durch Licht aktivierbare Stammzellen auf Entzündungen reagieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2021)

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