Energieforschung

Die Stickmaschine macht jetzt auch Batterien

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Symbolbild. imago images/United Archives
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Sticken ist eine althergebrachte Handarbeitskunst. Wie man sie nutzen kann, um grüne Technologien wie die Fotovoltaik noch effizienter und umweltfreundlicher zu machen, zeigt ein Vorarlberger Forschungsprojekt.

Auch wenn sie ein wenig aus der Mode gekommen scheinen: Mit Stickmustern verzierte Tischdecken oder Polster haben eine jahrhundertelange Tradition. Ihre Herstellung ist aufwendige Handarbeit – oder eine Aufgabe für Maschinen. Dass man die Sticktechnik auch für ganz andere Zwecke einsetzen kann, zeigen das Forschungsinstitut für Textilchemie und Textilphysik der Uni Innsbruck sowie ein Spin-off, das Kleinunternehmen Texible: Gemeinsam arbeiten die beiden in Dornbirn ansässigen Einrichtungen daran, Energiespeicher mit gestickten Elektroden auszustatten und damit deren Leistung zu erhöhen.

„Das Prinzip ist das gleiche wie bei der Tischdecke“, erklärt Texible-Geschäftsführer Thomas Fröis. „Und es wird auch eine Schiffchenstickmaschine verwendet, wie man sie ähnlich aus der Textilindustrie kennt.“ Einige wesentliche Unterschiede gibt es trotzdem: Anstelle bunter Fäden werden millimeterdünne Bündel aus Karbonfasern in die Maschine eingeführt. Diese Bündel, die aus bis zu 50.000 einzelnen Filamenten bestehen, werden nicht auf Baumwoll-Stoff aufgetragen, sondern auf sehr dünne Kunstfaser-Gewebe. Und dabei entstehen keine hübschen Ornamente, sondern Muster, die sich aus der Forschungsarbeit der Uni-Experten ergeben.

„Wir verwenden diese Karbon-Strukturen als Elektroden in Redox-Flow-Batterien“, erläutert Forscherin Noemí Aguiló Aguayo. Solche Batterien gelten als mögliche Alternative zu Lithium-Ionen-Akkus, etwa in Verbindung mit Fotovoltaikanlagen – vor allem deshalb, weil sie die Energie über mehrere Wochen hinweg umweltfreundlich in Tanks mit flüssigen Salzlösungen speichern können und keine seltenen Rohstoffe wie das bei Lithium-Ionen-Akkus übliche Kobalt verbrauchen. Ihr Nachteil ist, dass sie technisch noch nicht vollends ausgereift sind, zum Beispiel, was die Geschwindigkeit betrifft, mit der sie aufgeladen bzw. entladen werden. Diese Geschwindigkeit hängt wesentlich von den Elektroden ab.

Fasern in Flussrichtung der Energie

„Bisher hat man Vlies verwendet, also einen Textilverbund, in dem Karbonfasern eingebettet sind“, sagt Aguiló Aguayo. Die ungeordnete, zufällige Ausrichtung der Fäden im Vlies wirke sich aber nachteilig auf die Geschwindigkeit aus und verkürze zudem die Lebensdauer der Batterie. „Die Sticktechnik hingegen ermöglicht eine präzise Faser-Platzierung in Flussrichtung der Energie. Damit sind größere Stoffübergangsraten und gleichmäßigere Stromverteilungen zu erzielen.“ Insgesamt, so die Forscherin, lasse sich die Batterieleistung um bis zu 50 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Systemen steigern. Thomas Fröis veranschaulicht den praktischen Nutzen: „Wenn man zu Hause den Herd einschaltet, dann will man den Strom ja sofort haben und nicht erst warten müssen.“ Zudem könne in kurzer Zeit eine große Energiemenge über die Fotovoltaik-anlage in die Batterie eingespeist werden. Die Sonnenphasen werden also effektiver zur Energiegewinnung genutzt. Die Forscher bemühen sich nun, das ideale Stickmuster zu finden – also zu ergründen, welche Anordnung der Faserbündel am besten funktioniert und wie man gleichzeitig eine möglichst große Oberfläche der Fäden erzielen kann. Denn auch die Größe der Oberfläche beeinflusst die Geschwindigkeit.

Dieses Stickmuster zu entwerfen und dann mit den hauchdünnen Filamenten auf das Kunstfasergewebe aufzubringen, ist Aufgabe des Texible-Teams, das normalerweise Textilien mit integrierter Sensorik, etwa nässeempfindliche Betteinlagen für Inkontinenz-Patienten, produziert. Die Muster werden dafür gezeichnet und dann „gepuncht“, also in ein Koordinatensystem übertragen, ehe sie an die Maschine übergeben werden. Diese verfügt über 500 Nadeln. „In einer Minute kann man damit bis zu 500 Elektroden erzeugen“, sagt Fröis.

Aguiló Aguayo erklärt: „Unser Ziel ist es, einen Prototyp herzustellen, der die Leistungsstärke der gestickten Elektroden demonstriert.“ Gelingt das, wären Redox-Flow-Batterien ihrem Anspruch, in bestimmten Anwendungsbereichen wie etwa Fotovoltaikanlagen eine Alternative für Lithium-Ionen-Akkus zu werden, einen bedeutenden Schritt näher.

LEXIKON

Redox-Flow-Batterien speichern Energie in Flüssigkeiten. Die Elektrolyte zirkulieren in zwei getrennten Kreisläufen, der Ionenaustausch erfolgt über eine Membran. Die Batterien sind wegen der notwendigen Tanks, Rohrleitungen und Pumpen relativ groß und daher für den Einsatz in mobilen elektronischen Geräten oder Fahrzeugen ungeeignet. Für Großspeicher gelten sie jedoch als vielversprechende und umweltfreundliche Zukunftstechnologie. Etliche Forscher billigen ihnen zu, die seltene Metalle benötigenden und schwer zu entsorgenden Lithium-Ionen-Akkus in diesem Segment vielleicht einmal ersetzen zu können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2021)

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