Der Iran verkündete am Freitag, Uran bis auf 60 Prozent Anteil des spaltbaren Isotops Uran-235 angereichert zu haben. Trotz dieses eklatanten Bruchs des Atomvertrags bleiben die Unterhändler übers Wochenende in Wien.
Die Iraner stellen ihre Gesprächspartner bei den Atomverhandlungen in Wien auf eine schwere Geduldsprobe. Am Freitag erhöhten sie den Druck: Parlamentspräsident Mohammed Qalibaf verkündete stolz, dass es iranischen Wissenschaftlern in der Atomanlage Natanz gelungen sei, auf 60 Prozent angereichertes Uran herzustellen. Wenig später bestätigte Irans Atom-Chef, Ali Akbar Salehi: Man produziere derzeit neun Gramm pro Stunde und werde demnächst auf fünf Gramm reduzieren.
Es handelt sich um den bisher krassesten iranischen Verstoß gegen das Atomabkommen, um dessen Rettung sich Unterhändler seit der Vorwoche in Wien bemühen. Die Entwicklung sei „sehr beunruhigend", erklärte am Freitag in Brüssel ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Für die hohe Anreicherung gebe es keine glaubwürdige nicht-militärische Erklärung.
Die Fortführung der extrem heiklen Gespräche schien am seidenen Faden zu hängen; Informationen der „Presse" vom Freitagnachmittag zufolge aber wollten die diplomatischen Unterhändler der ursprünglichen Vertragsparteien (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, EU, Iran) dennoch übers Wochenende in Wien bleiben. Ein Abbruch scheint vorerst abgewendet.
Gemäß dem Atomabkommen von 2015 dürften die Iraner ihr Uran lediglich auf 3,67 Prozent Anteil des leicht spaltbaren, daher atomwaffentauglichen Isotops Uran-235 anreichern. Für eine Atombombe wäre ein Reinheitsgrad von mindestens 90 Prozent Uran-235 nötig.
Wie lang spielt der Westen noch mit?
Die Verhandlungen in Wien gingen zunächst in Arbeitsgruppen weiter. Doch die Frage war, wie lang sich die USA und die europäischen Unterzeichnerstaaten (Großbritannien, Frankreich, Deutschland) Irans Provokationen noch gefallen lassen. Ausgelöst hat die jüngste Eskalation ein Sabotageangriff auf die Anreicherungsanlage in Natanz, hinter dem der Iran die Israelis vermutet.
Ziel der Gespräche in Hotels an der Wiener Ringstraße ist es, dass die USA wieder in das Atomabkommen einsteigen. Der neue US-Präsident, Joe Biden, wäre dazu bereit. Doch er verlangt, dass sich die Iraner vorher wieder voll an die Atomvereinbarung halten, die sie seit dem US-Ausstieg unter Donald Trump 2018 zusehends verletzen. Derzeit bewegt sich die Regierung in Teheran, die ihrerseits eine Aufhebung der US-Sanktionen zur Bedingung macht, freilich in die andere Richtung.
(ag./red.)