Interview

Als Christoph Ransmayr sich fühlte, als könne er fliegen

Lässt sich für ein Leben ein „bisschen“ Verantwortung übernehmen? Christoph Ransmayr über „Der Fallmeister“.
Lässt sich für ein Leben ein „bisschen“ Verantwortung übernehmen? Christoph Ransmayr über „Der Fallmeister“.(c) Magdalena Weyrer
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Wie es war, als er schwimmen lernte. Was es bedeutet, dass sein jüngstes Buch in der Zukunft spielt. Warum er Literaten misstraut, die Botschaften haben. Und dass im Wort „Sturm“ noch kein Schiff versunken ist. Das alles erklärte Christoph Ransmayr per Mail – ein Austausch.

Die Welt, die Sie in „Der Fallmeister“ beschreiben, ist globalisiert und zersplittert zugleich, archaisch und hoch technologisiert. Europa ist zerfallen, die Macht geht von Syndikaten aus, die die spärliche Ressource Wasser verwalten und daraus Profit schlagen. Wagen Sie damit auch eine Prognose?

Christoph Ransmayr:
Die meisten Prognosen sind lächerlich. Erzählerische, spielerische Vermutungen anzustellen kann aber die Vorstellung von einer unausweichlichen Zukunft befördern und damit vielleicht auch die Vorsicht, mit der man einen Fuß vor den anderen in diese Zukunft setzt. Erzählen ist ja immer ein Appell an die Vorstellungskraft. Wer sich Gedanken machen kann etwa über die Folgen der Verseuchung oder der Verschwendung kostbarer Ressourcen wie Wasser, der wird vielleicht nicht mehr darauf bestehen, seine Scheiße mit klarstem Süßwasser in die Kanalisation zu spülen und die von westlichen Konzernen in afrikanischen Dürregebieten angelegten Plantagen aus versickerndem Grundwasser und versiegenden Quellen zu bewässern.

Das klingt nach einer Botschaft. Es gibt Leser, die stoßen sich daran. Sie denken, der Roman sei zu politisch.

Ach ja? Da kann man nix machen. Jedes Wort, jeder Satz über das Leben eines Menschen oder den vorgestellten oder tatsächlichen Zustand der Welt – ist ein Appell an die Vorstellungskraft und eine Forderung, nicht nur das Tatsächliche, sondern auch das bloß Mögliche zu denken. Ob jemand sein Handeln danach richtet, ist seine Sache, nicht meine. Wenn ein Erzähler eine Geschichte als bloßes Vehikel für Botschaften und Appelle benützt, sollte er lieber Programme schreiben oder Predigten halten. Ich schreibe weder Programme, noch halte ich Predigten.


Aber es ging Ihnen um etwas, oder? Wäre das denn schlecht?

Welche Lehren oder Weisheiten möchten Sie denn aus einem Roman beziehen? Wenn eine Erzählung beispielsweise von drückender Armut oder eine andere von empörendem Reichtum Sie nicht dazu bringen kann, sich das Elend in einem anderen Teil der Welt wenigstens vorzustellen und sich gegen den Reichtum, der dieses Elend oft bedingt, zu empören, dann werden in die Geschichte eingewebte Programme oder Flugblattparolen das erst recht nicht vermögen. In der Schauerprosa der Naziliteratur oder jener des Sozialistischen Realismus wurde das ja versucht, und das Ergebnis war unerträglicher Mist.

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