Im AKW Tschernobyl. Hier kam es vor 35 Jahren zur Katastrophe.
Jahrestag

Die Stille von Tschernobyl

Vor 35 Jahren führten menschliches Versagen und bauliche Mängel im sowjetischen Atomkraftwerk Tschernobyl zur nuklearen Katastrophe. Das Gebiet wurde zur kontaminierten Sperrzone. Doch noch immer leben und arbeiten hier Menschen. „Die Presse am Sonntag“ erhielt Zugang zum Kontrollraum von Reaktor 4, Ground Zero des Unglücks.

Es ist das Geräusch quietschender Schuhe, das die geisterhafte Stille im engen Korridor durchbricht. Der schmale Weg zum Kontrollraum von Reaktor 4 im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl ist mit zentimeterdicken, stark vergilbten Gummimatten ausgelegt. Von den Wänden bröckeln Fetzen von hellblauer Farbe ab, ein seltsam stechender Geruch liegt in der Luft, Wassertropfen fallen auf den feuchten Boden.Die unmittelbare Nähe zum Ground Zero, den Überresten des explodierten Reaktors 4, wirkt bedrückend. Mit jedem Schritt geht es tiefer unter das sogenannte New Safe Confinement, eine gigantische Schutzhülle, die den Austritt von Radioaktivität verhindern soll.

„Von nun an muss es schnell gehen.“ Mit einem Ruck öffnet Stanislav, ein Offizier des Kernkraftwerks, eine dicke Stahltür und betritt den dahinterliegenden Kontrollraum 4. Vor 35 Jahren nahm hier die größte Atomkatastrophe der Menschheitsgeschichte ihren Ausgang. Noch immer geht von diesem schicksalshaften Ort eine immense Strahlengefahr aus, das Verweilen ist auf einige Minuten beschränkt. Zeit genug, damit Stanislav mit klaren Worten die tragischen Ereignisse jener Nacht zusammenfassen kann. Der Mann ist Anfang 40, hat ein diszipliniertes Auftreten und wirkt stets gefasst. Über seinen Hals zieht sich eine lange Narbe. Vor ihm liegen die ausgebrannten Überreste des Kontrollraums, einem zerstörten Autowrack gleich. Alles schimmert in leichtem Violett, eine Folge der kontinuierlichen Dekontaminierungsmaßnahmen der Anlage.

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