Iran-Atomvertrag

Atomverhandlungen gehen in Wien ohne Pause weiter

Europäische und iranische Verhandler warten auf Gesprächsbeginn am Samstag in Wien.
Europäische und iranische Verhandler warten auf Gesprächsbeginn am Samstag in Wien.via REUTERS
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Die verbliebenen Vertragspartner des Atomvertrags wollen auch am Sonntag und nächste Woche in Wien weiterverhandeln. Der Iran will unterdessen einen Verdächtigen nach der Explosion in Natanz identifiziert haben.

Viele Hürden gab es in dieser Woche aus dem Weg zu räumen, um die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm am Laufen zu behalten. Doch der Wille, zumindest weiter über eine Fortsetzung des Vertrags zu reden, ist weiterhin da. Und so soll ohne Pause weiterverhandelt werden. Der russische Botschafter bei den internationalen Organisationen in Wien, Michail Uljanow twitterte am Samstagnachmittag, dass die Arbeitsgruppen auch am Sonntag und in der kommenden Woche zusammenkommen werden, um „nicht weiter Zeit zu verschwenden“, um den Vertrag wiederherzustellen. Uljanow ist gemeinsam mit dem iranischen Vize-Außenminister Abbas Araqchi, dem chinesischen Botschafter und den politischen Direktoren aus den Außenämtern Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens in der Gemeinsamen Kommission, die das Atomabkommen überwacht.

Der Iran hält eine Einigung weiterhin für möglich. "Wir haben heute die Ergebnisse der Expertenrunden überprüft. Und es scheint, dass eine neue Einigung erzielt werden könnte", sagte Araqchi den iranischen Medien in Wien am Samstag.

Der Iran hat laut Araqchi einen Fahrplan entworfen, auf dessen Basis eine Rückkehr des Iran zu technischen Verpflichtungen im Atomabkommen sowie zur Aufhebung der US-Sanktionen ermöglicht werden könnte. Bis dahin sei es zwar noch ein langer Weg, da es weiter Differenzen mit den USA gebe, aber die Verhandlungspartner seien auf dem richtigen Weg.

Der iranische Chefverhandler hatte vergangene Woche erklärt, dass der Iran kein Interesse an endlosen Verhandlungen habe. Teheran würde die Verhandlungen beenden und Wien umgehend verlassen, falls es keine Aussichten auf konkrete Ergebnisse geben sollte.

Iran fordert Aufhebung der Sanktionen

Am Samstag berichtete der iranische Sender Press TV unter Berufung auf eine "informierte Quelle", dass nur die Aufhebung aller Sanktionen gegen den Iran die Wiener Gespräche retten werde. "Es ist für den Iran nicht akzeptabel, die Sanktionen in aufhebbare, nicht aufhebbare und verhandelbare zu unterteilen", sagte die Quelle am Samstag.

An den Verhandlungen unter Schirmherrschaft der EU verhandeln auch die Vertreter Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands über die Rettung des Wiener Atomabkommens von 2015, aus dem die USA 2018 ausgestiegen sind. Der Iran verweigert direkte Gespräche mit den USA, deshalb wird über eine Shuttle-Diplomatie zwischen beiden Seiten zu vermitteln versucht.

Das 2015 geschlossene Wiener Abkommen sollte den Iran an einer Atomrüstung hindern, ohne ihm die zivile Nutzung der Kernkraft zu verwehren. Im Gegenzug sollten Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden.

Seit letzter Woche wird in Wien über die Rettung des Atomabkommens von 2015 verhandelt. Diplomaten aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China versuchen, sowohl die USA als auch den Iran von einer Rückkehr zum Atomdeal und dessen vertragsgerechter Umsetzung zu überzeugen. Die USA stiegen 2018 aus dem Abkommen aus, und ein Jahr später hat dann auch der Iran gegen fast alle technischen Vorgaben in dem Deal verstoßen.

Uran-Anreicherung erschwert Verhandlungen

In der Nacht zum Freitag hat der Iran nach Angaben von Atomchef Ali Akbar Salehi erstmals sein Uran bis auf 60 Prozent angereichert. Salehi gab außerdem bekannt, dass der Iran nun jede Stunde 9 Gramm 60-prozentiges Uran anreichern könne. Derzeit werde in der Atomanlage Natanz mit den neuen im Land hergestellten Zentrifugen Uran gleichzeitig auf 20 und 60 Prozent angereichert. Erlaubt sind laut Atomabkommen nur 3,67 Prozent. Präsident Hassan Rouhani zufolge könnte der Iran sein Uran nun auch auf 90 Prozent anreichern und damit atomwaffentauglich machen - wolle dies aber nicht tun.

US-Präsident Joe Biden nannte den Vorstoß aus Teheran keineswegs hilfreich. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sprach von einer Provokation, die an der Ernsthaftigkeit Teherans bezüglich neuer Atomverhandlungen zweifeln lasse. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sagte, aus EU-Sicht gebe es für das Handeln keine glaubwürdige Erklärung oder nichtmilitärische Rechtfertigung.

Mit einer höheren Urananreicherung will der Iran den Druck auf die sechs Unterzeichnerstaaten des Wiener Atomabkommens erhöhen, damit die US-Sanktionen zurückgenommen werden. Außerdem ist die Maßnahme laut Präsident Rohani eine Reaktion auf einen Sabotageangriff auf die Atomanlage Natanz vom vergangenen Sonntag. Für den Sabotageakt machte er Israel verantwortlich. Die israelische Regierung äußerte sich nicht zu den Vorwürfen.

Saboteur angeblich identifiziert

Der Iran hat unterdessen nach eigenen Angaben einen Mann identifiziert, dem ein Anschlag auf die zentralen Anlage des Landes zur Urananreicherung in Natanz vorgeworfen wird. Der Saboteur sei von den Behörden identifiziert worden, berichtete das Staatsfernsehen am Samstag, das auch einen Namen nannte und ein Foto des 43-Jährigen veröffentlichte. Er sei ins Ausland geflohen, hieß es. Nun würden Schritte unternommen, um ihn zu verhaften und ihn "über legale Kanäle" ins Land zurück zu bringen.

US-Präsident Donald Trump hatte im Mai 2018 einseitig das Atomabkommen verlassen. Trump argumentierte, dass der Deal dem Iran nicht den Weg zu einer Atomwaffe versperre und keinen ungehinderten Zugang für Inspektoren zu bestimmten Militärkomplexen erlaube. Mit einer Politik des maximalen Drucks wollte die damalige US-Regierung die Führung in Teheran zwingen, ein Abkommen mit härteren Auflagen zu verhandeln. Trumps Nachfolger Joe Biden sucht jetzt nach einem Weg zurück zu den Vereinbarungen. Das Zeitfenster ist relativ klein, weil im Juni im Iran eine Präsidentenwahl ansteht.

Die US-Sanktionen haben die Wirtschaftskrise im Iran weiter verschärft. Insbesondere der Ölexport, die Haupteinnahmequelle des Landes, ist blockiert. Experten in Teheran sagen, ein Ende der über zweijährigen Krise sei ohne eine politische Lösung mit den USA nicht machbar. Außerdem nützten iranische Hardliner die Krise aus, um gegen den moderaten Präsidenten Rohani Stimmung zu machen und somit die Präsidentenwahl zu ihren Gunsten zu entschieden.

(APA/dpa/Reuters)

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