Russland

Team von Nawalny ruft zu neuen Protesten auf

Kremlgegner Alexej Nawalny ist schon seit dem 31. März im Hungerstreik
Kremlgegner Alexej Nawalny ist schon seit dem 31. März im Hungerstreikimago images/ITAR-TASS
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Nach mehr als zwei Wochen Hungerstreik wachsen die Sorgen um die Gesundheit des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny.

Das Team des in einem Straflager inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny hat zu neuen Protesten am nächsten Mittwoch aufgerufen. An dem Abend (18.00 Uhr MESZ) sollten sich die Menschen auf den zentralen Plätzen der Städte versammeln, hieß es in einem am Sonntag veröffentlichten Aufruf. Am Mittwoch will Präsident Wladimir Putin seine Rede an die Nation halten.

Nawalnys Team hatte bereits neue Demonstrationen angekündigt, wollte aber erst ein Datum nennen, sobald 500.000 Menschen bereit seien, sich den Aktionen anzuschließen. Bis zum Sonntag hatten sich mehr als 457.000 Menschen auf der Nawalny-Internetseite registriert. "Es gibt Umstände, unter denen man schnell handeln muss, sonst entsteht ein irreparabler Schaden", hieß es in dem Aufruf.

Ärzte aus seiner Umgebung  Nawalnys warnten  davor, dass das Herz des 44-Jährigen stehen bleibt. Es müssten sofort Maßnahmen ergriffen werden, mahnte ein Medizinerteam um Nawalnys Ärztin Anastassija Wassiljewa im Kurznachrichtendienst Twitter. Eine Nawalny-Sprecherin schrieb sogar: "Alexej stirbt." Überprüfen ließen sich die Angaben nicht.

Die Ärztin des prominentesten russischen Oppositionspolitikers forderte in einem am Samstag veröffentlichten Brief an die Gefängnisbehörde erneut Zugang zu Nawalny. "Wir Ärzte sind bereit zu handeln. Die Frage bleibt, ob das Straflager bereit zur Zusammenarbeit ist, um Nawalnys Leben zu retten." Bei einer Größe von 1,90 Meter wog er nach Angaben seiner Ehefrau vor einigen Tagen noch 76 Kilogramm. Pro Tag soll er ein Kilo verlieren. Nawalny sitzt unter erschwerten Bedingungen in einem Lager etwa 100 Kilometer entfernt von Moskau.

Unterstützung kam von mehr als 70 Prominenten, die mit einem offenen Brief an Russlands Präsident Wladimir Putin eine medizinische Behandlung forderten. Darin heißt es: "Als russischer Staatsbürger hat er das Recht, von einem Arzt seiner Wahl untersucht und behandelt zu werden." Der Appell wurde am Samstag von mehreren europäischen Tageszeitungen abgedruckt. Zu den Unterzeichnern gehören Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling, Literaturnobelpreis-Trägerinnen wie Herta Müller und Louise Glück, Abba-Gründer Björn Ulvaeus sowie der Schauspieler Benedict Cumberbatch.

Nawalny ist schon seit dem 31. März im Hungerstreik. Ihm droht Zwangsernährung. Der Putin-Gegner, der vergangenes Jahr nur knapp einen Giftanschlag überlebt hatte, klagte zuletzt über Rückenleiden, Lähmungserscheinungen in den Gliedmaßen, Fieber und Husten. Wassiljewa und drei Kollegen sprachen zudem von kritischen Kaliumwerten, was zu Nierenversagen und schweren Herzrhythmusstörungen führen könne. "Wir sind extrem besorgt über seinen Zustand", heißt es in dem Brief an den Chef des Strafvollzugs, Alexander Kalaschnikow. "Wir bitten dringend um Verhandlungen."

Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch schrieb bei Facebook, an den Wochenenden könnten Anwälte keinen Kontakt zu ihrem Mandaten aufnehmen. "Niemand weiß, was am Montag passiert." Nach ihren Angaben sind weitere Demonstrationen für eine Freilassung in Planung. Bereits im Jänner hatte es landesweit Proteste gegeben.

Der Kardiologe Alexej Erlich sagte dem Radiosender Echo Moskwy: "Ich weiß nicht, ob Nawalnys Schicksal vom Strafvollzug, von der Präsidialverwaltung oder von Putin persönlich entschieden wird. Aber wir brauchen jetzt, heute eine Grundsatzentscheidung, die es unabhängigen Ärzten erlaubt, Nawalny zu treffen." Der Mediziner gehört zum Team der persönlichen Ärzte des Oppositionellen.

Nawalny hatte im August einen Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok überlebt und war in Deutschland behandelt worden. Er beklagt, dass der Einsatz des verbotenen chemischen Kampfstoffs in seiner Heimat nicht untersucht werde. Mehrere Labore in der EU hatten das Gift nachgewiesen. Er selbst macht ein "Killerkommando" des Inlandsgeheimdiensts FSB für das Attentat verantwortlich, das unter Putins Befehl stehen soll. Der Kremlchef und der FSB wiesen die Vorwürfe zurück.

(APA/dpa)

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