Der ökonomische Blick

Innovation und die Krise: Vor uns die goldenen 20er Jahre?

Teleworking und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle haben durch die Krise Impulse bekommen.
Teleworking und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle haben durch die Krise Impulse bekommen. APA/AFP/OLIVIER DOULIERY
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Die Idee des Innovationsbooms in der Krise ist weit verbreitet. Was dafür und was dagegen spricht.

Wie wird sich die Corona-Krise auf die Innovationsaktivitäten von Unternehmen auswirken? F&E-Ausgaben entwickeln sich üblicherweise pro-zyklisch; eine Rezession lässt deshalb sinkende F&E-Ausgaben erwarten (OECD 2021). Mangelnde Liquidität und fehlende Nachfrage verringern die Bereitschaft der Unternehmen, in F&E zu investieren.

Dieser Zusammenhang ist empirisch gut abgesichert, passt allerdings nicht zur Wahrnehmung vieler Beobachter. Die rasche Entwicklung von Impfstoffen gegen Covid-19 war vor einigen Jahren noch unvorstellbar. Auch Teleworking, künstliche Intelligenz oder die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle haben durch die Krise Impulse bekommen. Liegen vor uns vielleicht sogar die „Goldenen 1920er Jahre“ und eine neue Ära der Innovation, wie der Economist im Jänner dieses Jahres titelte?

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Begünstigen Rezessionen vielleicht doch Innovationen? Einige Weltmarktführer wurden in Krisenzeiten gegründet, Beispiele sind SAP (1972), Microsoft (1975), Airbnb (2008) oder Uber (2009). Während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 haben zahlreiche Firmen ihre F&E-Aktivitäten entgegen dem allgemeinen Trend nicht reduziert, sondern im Gegenteil ausgebaut (Rammer 2012, Archibugi et al. 2013).

Solche Firmen finden sich auch in Österreich. Nach Daten des TREND Top 500 haben 17 der 30 forschungsstärksten österreichischen Unternehmen ihre F&E-Ausgaben zwischen 2007 und 2009 gesteigert (siehe Abbildung unten). Ähnlich hoch ist der Anteil antizyklisch investierender Unternehmen in den Top 50 der forschungsstärksten Unternehmen Österreichs.

TREND Top 500

Die Idee, dass Krisen als Katalysator für Innovationen wirken, ist noch wesentlich älter als die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09. Für Joseph Schumpeter (1939) waren Rezessionen jene Zeit, in denen sich die Wirtschaft für den nächsten Aufschwung umstrukturiert und sich neue Technologien durchsetzen. Gerhard Mensch machte diese Idee in den frühen 1970er Jahren (ebenfalls eine Krisenzeit) populär. Er spricht von radikal neuen Produkten und Prozessen, sog. Basisinnovationen, die gehäuft während Rezessionen erscheinen. Mensch (1975) argumentiert, dass Firmen in solchen Zeiten gezwungen sind, etwas völlig Neues auszuprobieren. Außerdem werden radikale Innovationen in der Hochkonjunktur nicht verfolgt, weil Firmen inkrementelle Innovationen und Anpassungen bevorzugen, die einen sicheren kurzfristigen Profit versprechen. Die Opportunitätskosten von radikalen Innovationen in Form entgangener Gewinne sind einfach zu hoch.

Mensch sieht seine These durch die Innovationen der 1930er Jahre und den Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg bestätigt, aber auch frühere Rezessionen wie die Gründerzeitkrise der 1880er Jahre scheinen seine These zu stützen. Spätere Studien (Freeman et al. 1982, Silverberg, 2007) konnten allerdings keine Konzentration von Basisinnovationen in Rezessionen feststellen. Es gibt kein „bunching of innovations“ während einer Krise und deshalb auch keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer Krise und Innovationen, die den folgenden Aufschwung antreiben. Heute gilt Menschs Hypothese als widerlegt. Wir wissen allerdings auch, dass einige Firmen entgegen des allgemeinen prozyklischen Trends antizyklisch auf Krisen reagieren.

Warum ist die Idee, dass Krisen als Katalysator für Innovationen wirken, trotzdem so verbreitet? Vielleicht weil wir hoffen, dass es nach Krisen wieder aufwärts geht? Weil die Unsicherheit der Pandemie die vorher dominierende technologische Unsicherheit überdeckt und möglich macht, was vorher undenkbar erschien? Gleichzeitig macht die Krise jene Bereiche sichtbar, die längst vom Zug der Zeit überholt wurden und nun der kreativen Zerstörung anheimfallen.

Die Krise verdeutlicht auch, dass sich die Dinge verändern können. Für viele Menschen stand bereits vor Covid-19 fest, dass „ein Weitermachen so ist nicht möglich“ ist. Es wäre es wünschenswert, wenn daraus ein „Why we can’t go back to ‚normal‘“ (Bogner et. al., 2020) wird und die Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit damit an Fahrt aufnehmen kann.

Die Autoren

Bernhard Dachs ist Senior Scientist am Center for Innovation Systems & Policy des AIT Austrian Institute of Technology in Wien. Er studierte Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien und erhielt ein Doktorat in Wirtschaftswissenschaften der Universität Bremen. Seine Spezialgebiete sind Innovationsökonomie, insbesondere im Hinblick auf die Internationalisierung von F & E, Innovation im Dienstleistungssektor und die Beschäftigungswirkungen von Innovationen. Er war in einer Reihe von Beratungs- und Forschungsprojekten für österreichische als auch internationale Auftraggeber tätig. Seine Forschungsergebnisse wurden in referierten Fachzeitschriften veröffentlicht.

Andreas Pyka verbrachte nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften und anschließender Promotion an der Universität Augsburg zwei Jahre als Post-Doc am Institut Nationale de la Recherche Agronomique (INRA/SERD) in Grenoble und bei den Austrian Research Centers "System Research" in Wien. Auf die Habilitation im Jahre 2004 folgte 2006 ein Ruf an die Universität Bremen, wo Andreas Pyka bis 2009 die Professur für Wirtschaftstheorie besetzte. Seit Sommer 2009 ist Andreas Pyka Professor am Fachgebiet für Innovationsökonomik an der Universität Hohenheim.

Andreas Pyka und Bernhard Dachs
Andreas Pyka und Bernhard Dachs

Literatur

Archibugi, D., A. Filippetti and M. Frenz (2013). Economic crisis and innovation: Is destruction prevailing over accumulation? Research Policy 42(2): 303-314.

Bogner, K., Mueller, M., Pyka, A., Schlaile, MP, Urmetzer, S. (2020). Why we can’t go back to normal: five appeals for a sustainable post-pandemic economy. LSE Business Review.

Mensch, G. (1975). Das technologische Patt. Frankfurt, Umschau-Verlag.

OECD (2021). OECD Science, Technology and Industry Outlook 2021: Times of Crisis and Opportunity. Paris, Organisation for Economic Co-operation and Development.

Rammer, C. (2012). Schwerpunktbericht zur Innovationserhebung 2010. Mannheim, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.

Schumpeter, J. A. (1939). Business Cycles. A Theoretical, Historical and Statistical Analysis of the Capitalist Process. New York: McGraw-Hill.

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