Gastkommentar

Ethik muss Pflichtfach werden in der Schule

Über Reformen und den Wert ethischer und philosophischer Bildung in Zeiten von „Fake News“.

Darüber, was Schule leisten soll, herrscht traditionell keine große Einigkeit. Modern scheint aber sicherlich, Fragen der Bildung mit konkreten Nützlichkeitserwägungen zu verschränken und all das als schul-relevant zu identifizieren, was künftige Verwertbarkeit im ökonomischen Sinne verspricht.

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So wurde bereits im Jahre 2000 im Rahmen der „Lissabonner Strategie“ der EU das Ziel definiert, Europa zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu formen und dafür in den Schulen die Weichen zu setzen. Die Folgen für die betroffenen Bildungsstätten waren tiefgreifend: Reformen wurden angestrengt, Lehrpläne überarbeitet und Unterrichtsprinzipien ersetzt. Output-Orientierung hieß das neue Zauberwort, das fortan als oberste Lernprämisse galt und garantieren sollte, dass nur noch Nützliches, Anwendbares und Verwertbares gelernt werde.

Hoch im Kurs stehen dabei die Schwerpunkte Naturwissenschaft, Ökonomie und – vor allem – Technik. Bestes Beispiel: Der vom Bildungsministerium präsentierte „8-Punkte-Plan für digitalen Unterricht“, der in den kommenden Schuljahren einen möglichst umfassenden Einsatz digitaler Unterrichtsmittel und -inhalte vorsieht. Dabei wird „inspirierende und zukunftsweisende“ Pädagogik ebenso versprochen, wie der nachhaltige Aufbau digitaler Kompetenzen. In Bezug auf die philosophisch-ethische Bildung hingegen, zeichnet sich auch in den kommenden Jahren keine flächendeckende, integrative Option für alle Schülerinnen und Schüler ab. Ein Ethik- oder Philosophieunterricht „für Alle“ scheint in weiter Ferne. Ein Fehler.

Nutzen der Philosophie

Ethik (und damit Philosophie) als Pflichtfach an Schulen zu etablieren, wäre aus mehreren Gründen wünschenswert. So ließe sich etwa auch die philosophisch-ethische Bildung über den durch sie zu erwartenden Nutzen definieren: Die Philosophie lehrt es, klar zu denken, sie schärft den Verstand und forciert den präzisen Sprachgebrauch. Auch führt sie hervorragend in die Prinzipien der Logik ein und schult in besonderer Weise die Argumentationskompetenz.

Nicht zuletzt könnte man ins Treffen führen, dass die Auseinandersetzung mit Philosophie und Ethik als Schlüssel zu einer gesunden, „kritischen Grundhaltung“ gilt, was gerade in Zeiten von „Fake-News“ kein Nachteil sein kann. Doch dieser von Verwertbarkeit getragene Gedanke beschreibt das Wesen der Philosophie längst nicht zur Gänze.

Der wahre Gewinn des Philosophierens begründet sich nämlich in dem, was man nicht direkt aus ihr gewinnt: Philosophie ist zu einem wesentlichen Teil zweckfrei. Der Wert liegt in der Ausübung an sich – dem freien Spiel des Denkens und dem Versinken in der Tätigkeit, ohne fortlaufend Rechenschaft über die Anwendbarkeit des Gelernten zu legen. Der Philosophie- oder Ethikunterricht kann hierfür den nötigen Raum bieten: Die Auseinandersetzung mit ethischen Konzepten, mit Fragen der Gerechtigkeit, der Wahrheit und des Glücks, dem Prüfen ethischer Normen und dem Reflektieren auf Mensch, Umwelt und Natur könnte Heranwachsende in besonderer Weise prägen und so zum elementaren Bildungsfaktor werden. Dabei stünde die Wirkung des Inhaltes auf den Lernenden selbst im Zentrum – nicht die aus ihm resultierenden Kompetenzen.

Es bleibt zu hoffen, dass künftige Reformen darauf Bedacht nehmen und den eingeschlagenen Weg in Richtung Technisierung und Verwertbarkeit zugunsten philosophisch-ethischer Grundbildung nachbessern.

Dr. Georg Platzer (*1986) ist ist AHS-Lehrer für die Fächer Ethik, Philosophie und Sport. Er studierte Lehramt sowie Philosophie an der Uni Wien.

E-Mails: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2021)

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