Ermordete ein Polizist George Floyd? Während eine Jury nun das Urteil fällen muss, hadern die USA weiter mit Fällen von Polizeigewalt.
Wien/Minneapolis. Mit gepackten Koffern rückten sie am Montag vor Gericht an: jene Bürger Minnesotas, die entscheiden sollen, ob der Polizist Derek Chauvin den Afroamerikaner George Floyd im Mai 2020 ermordete, als er für neun Minuten und 29 Sekunden auf dessen Oberkörper kniete. Nach insgesamt 13 Tagen Prozess hörten die Jurymitglieder am Montag die Schlussplädoyers. Von nun an sind sie, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, in einem Hotel untergebracht, wo sie ihre gemeinsame Stimme finden müssen.
Es ist ganz und gar unklar, in welche Richtung die 15 Jurymitglieder – eine Person davon ist Reserve – dabei gehen werden. Ausgewählt wurden sie Anfang März: neun Frauen, fünf Männer; neun Weiße, vier Schwarze, zwei mit multiethnischem Hintergrund. Zehn sind unter 50 Jahre alt. Jonathan Simon, Rechtswissenschaftler an der kalifornischen Universität Berkeley und international anerkannter Kriminologe, erklärte in einem Interview mit dem Berkeley-Pressedienst zu Beginn des Prozesses gegen Chauvin, dass dessen Freispruch wahrscheinlicher sei als seine Verurteilung – so komplex sind die juristischen Fragen, die die Jurymitglieder zu beantworten haben.
Zorn über Tod von 13-Jährigem
So unsicher sein Ausgang ist: Der Prozess selber hat die Debatte rund um Polizeigewalt und systemischen Rassismus so hochkochen lassen, wie das seit den „Black Lives Matter“-Protesten im Sommer des Vorjahres nicht mehr der Fall war. Das Videomaterial, auf dem zu sehen ist, wie der Polizist Chauvin auf Floyd kniet, während dieser um Luft fleht und irgendwann „Mama“ ruft, hat das Land neuerlich aufgerüttelt.