Konflikt nach Brexit

Nordirland: Versuchtes Bombenattentat auf Polizistin

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BRITAIN-NIRELAND-EU-BREXIT-TRADEAPA/AFP/PAUL FAITH
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Der Nordirland-Konflikt flammt nach dem Brexit wieder auf. Rund um die Beerdigung von Prinz Philip, dem Ehemann der Queen, hatte es eine Pause bei den Protesten der Unionisten gegeben - seit Montag ist es allerdings nicht mehr ruhig.

Nordirland sieht sich mit einer neuen Welle an Gewalt konfrontiert. Nachdem die monarchietreuen Unionisten aus Respekt vor dem Tod des Ehemanns der Queen, Prinz Philip, die Proteste für über eine Woche hatten ruhen lassen, ist es seit Anfang der Woche zu neuen Ausschreitungen gekommen. In Belfast wurden am Montag etwa brennende Straßensperren von Unionisten aufgestellt - am Dienstag wurde bekannt, dass ein Auto einer Polizistin mit Sprengstoff versehen worden war.>> Nordirland: „Der Geruch von Verrat liegt in der Luft“ [premium]

Eine Kombination aus dem Hard Brexit, alten Klüften und neuen krimenllen Banden droht die Lage zu eskalieren. Die Lösungssuche in Brüssel steckt fest, berichtet „Presse“-Korrespondent Gabriel Rath aus London.

Der Zündstoff war am Montagmorgen unter dem Auto der Polizeibeamtin in der Region Londonderry/Derry gefunden worden. Sie hatte das Auto in der Nähe des Hauses ihrer Familie geparkt. Die Umstände der Entdeckung waren nicht bekannt, die BBC berichtete, dass die Polizei Nordirlands den Vorfall als „Anschlag“ auf die Frau, die Teilzeit als Polizistin arbeitet, sehe.

Die nordirische Politik reagierte prompt. Die Erste Ministerin, Arlene Foster von der Unionisten-Partei, sprach von einem Angriff „von Terroristen“ und erklärte, sie habe mit der Polizistin telefoniert und ihr ihre Unterstützung zugesichert. Michelle O'Neill, Fosters Stellvertreterin und Sinn-Féin-Politikerin, verurteilte den geplanten Anschlag ebenfalls scharf und appellierte an die Einigkeit der Politik. Sowohl Foster als auch O'Neill sprachen von einem „Mordversuch“ an der Frau.

Einseitiges Vorgehen Londons nach Vertragsabschluss

Hintergrund der neu ausgebrochenen Konflikte ist der Brexit - das Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union. Während die Republik Irland EU-Mitgliedsland ist, ist Nordirland nun nicht mehr Teil der EU, was Komplikationen an der Grenze und bei Warenlieferungen mit sich bringt. Aus Protest gegen eine Handelsbarriere zwischen Großbritannien und Nordirland seit dem Brexit gingen in Nordirland am Montagabend in verschiedenen Städten Hunderte Menschen auf die Straße. In Belfast griffen dabei vor allem junge Leute die Polizei an und zündeten eine Barrikade an, wie örtliche Medien berichteten.

Im Streit mit der EU über Handelsregeln für Nordirland nach dem Brexit hat der britische Premierminister, Boris Johnson, weitere einseitige Schritte der Briten in Aussicht gestellt. Dabei nahm er vor allem das sogenannte Nordirland-Protokoll ins Visier. "Wir entfernen, was wir als unnötige Ausstülpungen und Hindernisse empfinden, die aufgekommen sind, und reißen die Schlingen ab und schleifen es in Form", sagte Johnson der BBC in einem am Dienstag veröffentlichten Beitrag.>> Harter Brexit entfacht den Nordirland-Konflikt neu [premium]

Die großbritannientreuen Kräfte fühlen sich von der Regierung in London verraten. Radikale Gruppen formieren sich nach der widersprüchlichen Umsetzung des EU-Austritts neu und forcieren den Kampf auf der Straße.

Das "Nordirland-Protokoll" sieht Warenkontrollen bei der Einfuhr britischer Güter und Lebensmittel in die zum Vereinigten Königreich gehörende Provinz vor. Diese waren im EU-Austrittsvertrag mit Großbritannien vereinbart worden, um Kontrollen an der Grenze zum EU-Staat Irland zu vermeiden. Ziel war, neue Spannungen in der einstigen Bürgerkriegsregion zu vermeiden. Allerdings führten die Sonderregeln zu Lieferengpässen - zudem befürchten Loyalisten eine politische Spaltung. Bei Krawallen waren in den vergangenen Wochen Dutzende Polizisten verletzt worden.

"Wenn wir nicht genug Fortschritte machen können und wenn es so aussieht, dass sich die EU sehr, sehr dogmatisch verhält, wir weiterhin absurde Situationen haben (...), dann werde ich weitere Schritte unternehmen müssen", sagte Johnson. Als Beispiele nannte er das Einfuhrverbot für Pflanzen mit Erdanhaftungen oder Fleischprodukten aus Großbritannien nach Nordirland. Johnson hatte das Protokoll selbst ausgehandelt. Der irische Regierungschef, Micheal Martin, sagte hingegen, die Regelung stelle keine Gefahr für die territoriale Einheit des Vereinigten Königreichs dar.

(APA/dpa/Red.)

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