Wann hat wer wen angerufen, als die Bank pleiteging? Konnte Geld in Sicherheit gebracht werden? Doskozils sichergestellte Chat-Protokolle sollen diese Fragen klären.
Wien. Burgenlands Landeshauptmann, Hans Peter Doskozil, hüllte sich am Mittwoch in Schweigen. Verständlich, seine Aussagen hatten ihn zuletzt in die Bredouille gebracht. Er wird bei der Staatsanwaltschaft Eisenstadt wegen Falschaussage als Beschuldigter geführt. Ihm wurde kurzzeitig das Handy abgenommen.
Doskozil wurde am 17. Dezember 2020 im U-Ausschuss zur Commerzialbank befragt, wie er von der bevorstehenden Schließung erfahren hatte. Er sagte, dass Helmut Ettl, Chef der Finanzmarktaufsicht, am Nachmittag des 14. Juli Kontakt zu ihm gesucht hatte, „und ich wurde um 18.29 Uhr vom Finanzmarktaufsichtsvorstand Ettl angerufen“. Ettl, der am selben Tag befragt wurde, sagte aus: „Ich habe niemanden angerufen. Ich habe nicht den Herrn Landeshauptmann angerufen, der Landeshauptmann hat mich angerufen, und so war es.“
Wer rief wen an?
Die ÖVP hat aufgrund dieser divergierenden Aussagen Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt führt darum Ettl und Doskozil als Beschuldigte. Und beiden wurde am Montag mittels Sicherstellungsanordnung (keine Hausdurchsuchung) das Handy abgenommen. „Die Staatsanwaltschaft ordnet die Sicherstellung der Mobiltelefone von Mag. Helmut Ettl und Mag. Hans Peter Doskozil an sowie die Anfertigung von forensischen Sicherungskopien der Mobiltelefone und die Extrahierung und Auswertung der Daten betreffend eingehende, ausgehende und verpasste Anrufe, SMS und MMS über das Mobilfunknetz und über sogenannte Internet-Messenger-Dienste“, ist in der Anordnung zu lesen. Zeitlich grenzte Staatsanwalt Robert Koch die Auswertung auf wenige Stunden des 14. Juli ein. Doskozil gab seinen PIN-Code freiwillig an seine Ex-Kollegen der Polizei weiter. Das Handy wurde kopiert, er bekam es kurze Zeit später zurück.
Auf Falschaussage im U-Ausschuss stehen bis zu drei Jahre Haft. Dass wegen eines derartigen Delikts ein Handy einkassiert wird, ist aber ein Novum.
Ettl wird übrigens auch bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als Beschuldigter geführt. Es wird ermittelt, ob er die Information zur Bankenschließung überhaupt an Doskozil weitergeben durfte – oder andererseits vielleicht sogar musste.
Die Finanzprokuratur wurde vom Finanzministerium mit einem Gutachten beauftragt, ob seitens Ettl eine grobe Pflichtverletzung vorliegen könnte. Davon ist aber eher nicht auszugehen.
Unbestritten ist jedenfalls, dass Ettl die Informationen hatte – und diese im Burgenland landeten. Interessant wird auch sein, was Doskozil dann damit getan hat. Das Regionalmanagement Burgenland versuchte noch am Tag der Bankenschließung rund 1,5 Millionen Euro von der Commerzialbank zu überweisen – und scheiterte. Die Informationen seien nicht über Doskozil gekommen, sagte der Geschäftsführer im U-Ausschuss aus.
Der SPÖ Leid, der ÖVP Freud
Die burgenländische SPÖ sieht die Anzeige der ÖVP (und die damit einhergehenden Ermittlungsschritte) jedenfalls als Diskreditierung und „Angriff auf die Demokratie“. „Es geht der ÖVP nicht um Aufklärung, sondern um das Diskreditieren des Landeshauptmanns“, betonte Klubobmann Robert Hergovich Mittwoch. Die Vorwürfe würden sich in Luft auflösen.
Die ÖVP Burgenland fordert volle Aufklärungvon Doskozil. „Er hat sich von Anfang an in Widersprüche verstrickt. Er hat viele verschiedene Angaben zum Informationsfluss am Tag der Bankpleite gemacht“, sagte Landesparteiobmann Christian Sagartz. Nachdem Doskozil nun als Beschuldigter geführt werde, erwarte er sich für die Geschädigten Antworten: „Was wusste SPÖ-Landeshauptmann Doskozil? Warum legt Doskozil seit 260 Tagen die Telefonprotokolle aus der Pleitenacht nicht offen? Wie nah hat Doskozil selbst an Martin Pucher angestreift? Wer wurde vorzeitig über die Bankenschließung informiert?“, fragte Sagartz. Zentral sei, ob Informationen genutzt wurden, um Geld in Sicherheit zu bringen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2021)