Kritik

Händels „Saul“: Im Theater an der Wien ein Bruder von Wagners Wotan

Saul in Szene gesetzt - G. F. Haendels Oratorium im Theater an der Wien
Saul in Szene gesetzt - G. F. Haendels Oratorium im Theater an der WienORF/Theater a. d. Wien/Monika Rittershaus
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Händels „Saul“ feierte vor TV-Kameras Wiederaufnahme: In Claus Guths Inszenierung geraten Florian Boesch als Saul und Jake Arditti als David in den Kreislauf aus Macht und Wahn. Am 8.5. auf Fidelio.

Eine Tonleiter! Gerade haben Chor und Orchester in pompös verbreiterten Notenwerten den Schlusspunkt ihrer finalen Huldigung an den neuen König David gesetzt – doch aus dem vermeintlich letzten Takt tritt eine merkwürdig angehängte Kadenz der Streicher hervor: Die Primgeigen sinken dabei geradewegs die C-Dur-Tonleiter hinab. Eine letzte Demutsgeste? Ein nachdenklicher Schritt zurück?

Die Bibelfesten wissen ja, dass auch David, der Gottesliebling, noch Sünden begehen und die Strafe des Höchsten auf sich ziehen wird. Ein musikalischer Geniestreich ist dieser Schluss allemal – und Claus Guth nützt ihn auf die stärkste, düsterste Weise in seiner Inszenierung von Georg Friedrich Händels historisch umwälzendem, großartigem Oratorium „Saul“: Fast wirkt es, als würde David von herabstürzenden Tönen getroffen und niedergedrückt.

Der junge König liegt unter Martern am Boden

Der ganz unsentimental, tendenziell nüchtern zu Werke gehende Christopher Moulds, der am Pult des famosen Freiburger Barockorchesters steht, braucht kein großartiges Ritardando, um diesen beklemmenden Eindruck zu erzielen. Wirklich liegt der junge König in den letzten Sekunden unter Martern am Boden, verfolgt vom Geist seines Vorgängers Saul, den er nicht mehr loswerden wird. Damit schließt sich der Teufelskreis der Macht, den Guth vorführt.

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