Mit einem Stoßseufzer der Erleichterung einigte sich die EU auf ihre Klimaschutzziele für das kommende Jahrzehnt. Doch der Teufel steckt im Detail, die Regierungen ziehen nicht an einem Strang – und an die Rolle als globales Zugpferd glaubt außerhalb Brüssels kaum jemand mehr.
14 Stunden Verhandlungen in einem geschlossenen Raum: das wünscht man nicht einmal seinem schlimmsten Feind, vor allem nicht in Zeiten der Pandemie. Doch zumindest hatte diese Tortur, der sich die Vertreter des Europaparlaments, der Kommission und des Rates von Dienstagnachmittag bis Mittwochmorgen um fünf Uhr unterzogen, ein gutes Ende: man einigte sich auf die verbindlichen Ziele zur Senkung des Ausstosses von Treibhausgasen im kommenden Jahrzehnt. Je nach Darstellung sind das 52,8, 55 oder 57 Prozent an CO2-Emissionen, welche die EU bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Basisjahr 1990 weniger emittieren will.
Kein Wunder, dass die Verhandler des Parlaments, der französische Liberale Pascal Canfin und die schwedische Sozialdemokratin Jytte Guteland, bei der Vorstellung ihres Ergebnisses ziemlich aufgekratzt waren: „Ich bin extrem motiviert. Aber auch sehr müde. Das hat 14 Stunden gedauert“, sagte Guteland. Bleibt die EU mit dieser Einigung ihrem Anspruch treu, Weltführerin in Sachen Klimapolitik zu sein, wollte ich von ihr wissen. Denn immerhin hat Europa mit Joe Biden seit 20. Jänner nicht nur einen Freund, sondern auch einen Klimaaktivisten im Weißen Haus sitzen, der zwei Billionen (ja, Billionen) Dollar für ein US-Infrastruktur- und Klimaschutzprogramm vorgeschlagen hat. Das stellt den mit Ach und Krach und viel Finanzakrobatik eine Billion Euro umfassenden „EU Green Deal“, den Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unmittelbar vor Ausbruch der Pandemie präsentiert hatte, in den Schatten. Ach wo, antwortete Guteland: „Die USA sind nicht unser großer Bruder beim Klima. Wir sind ihre große Schwester. Sie werden von unserem heutigen Ergebnis angespornt und inspiriert werden.“ Wenn das nur so einfach wäre.