Studie

Forscher entdecken Wirkung gegen Coronavirus in Bitterstoff Chinin

Die britischen Pubs haben bereits wieder offen. Die Nachfrage nach "Gin And Tonic" ist also ohnehin hoch - und zur Covid-Vorbeugung ohnehin nicht zu empfehlen.
Die britischen Pubs haben bereits wieder offen. Die Nachfrage nach "Gin And Tonic" ist also ohnehin hoch - und zur Covid-Vorbeugung ohnehin nicht zu empfehlen.(c) REUTERS (SIMON DAWSON)
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Chinin, das auch im „Tonic Water“ als Bitterstoff eingesetzt wird, war früher ein Malariamittel, ehe es von seinen synthetischen Verwandten Hydroxychloroquin verdrängt wurde. In der Sars-CoV-2-Pandemie könnte es nun umgekehrt sein, fanden Forscher in Deutschland heraus.

„Gin Tonic"-Trinken gegen schwere Corona-Verläufe? So einfach ist es dann doch wieder nicht. Und wird es auch zukünftig nicht sein, alleine wegen der Dosis. Doch das in manchen Getränken als Bitterstoff verwendete Chinin, könnte unter Umständen zur Senkung der Virenlast bei einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 beitragen, wie eine Studie der Universitätskliniken Tübingen und Erlangen-Nürnberg nun herausgefunden hat. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin „Viruses“ veröffentlicht.

Das aus dem tropischen Cinchona-Baum gewonnene Alkaloid Chinin stellte sich den Wissenschaftlern zufolge als antiviral wirksame Substanz in verschiedenen menschlichen Zellkultursystemen heraus. Sollte sich die Wirkung in weiteren Studien bewahrheiten, könnte dies ein weiterer Ansatz in der Bekämpfung der Corona-Pandemie sein. Denn chininhaltige Präparate sind seit langer Zeit auf dem Markt und, könnten eine einfache und kostengünstige Behandlungsmöglichkeit darstellen.

Nachteile gegen Malaria werden zum Vorteil gegen Covid

Chinin ist verwandt mit dem schon zu Beginn der Pandemie stark in den Fokus der Öffentlichkeit gerückte Hydroxychloroquin - jene Substanz, die auch der damalige US-Präsident Donald Trump laut eigenen Angaben zur Vorbeugung einnahm. Doch aus dem Hoffnungsträger wurde nichts. Kritiker warnen vor schweren Nebenwirkungen bei der Behandlung von Corona-Patienten mit dem Anti-Malaria-Mittel. Im Juni kam die britische Recovery-Studie zu dem Ergebnis, dass das Medikament nichts zur Reduzierung der Corona-Sterblichkeit beitrage - ein Ergebnis, das auch von einer WHO-Studie bestätigt wurde.

Chinin wiederum besitzt Eigenschaften, die es für die Behandlung der Malaria weniger effektiv machen als zum Beispiel Hydroxychloroquin und Chloroquin. Doch diese Unterschiede könnten zum Vorteil im Kampf gegen das Coroanvirus werden. Hydroxychloroquin und Chloroquin sind synthetische Abkömmlinge des natürlich in der Rinde des Chinarindenbaums vorkommenden Chinins, heißt es in der Mitteilung der Universitäten. „Chinin ist weniger toxisch als zum Beispiel Hydroxychloroquin und es erreicht sehr viel schneller höhere Plasmaspiegel“, erklärt Professor Michael Schindler vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Tübingen. „Deshalb testeten wir in verschiedenen Zellkultursystemen, ob Chinin antivirale Aktivität gegen Sars-CoV-2 hat und wie potent der Wirkstoff im Vergleich zu Hydroxychloroquin und Chloroquin abschneidet“.

Chinin ist weniger toxisch

Und die Ergebnisse waren durchaus erfolgversprechend. Chinin hemmt in verschiedensten menschlichen Zellkultursystemen Sars-CoV-2. Es gab dabei relativ große Unterschiede in den benötigten Konzentrationen - je nach Art der Zellen, die dem Virus ausgesetzt wurden. „Wichtig hierbei ist jedoch anzumerken, dass Chinin in allen Systemen ähnlich effektiv wie Hydroxychloroquin die Vermehrung von SARS-CoV-2 hemmt“, so Professor Ulrich Schubert, Virologe aus Erlangen. „Und dabei ist Chinin weit weniger toxisch als seine chemischen Verwandten.“ Chinin könnte also den vermuteten Nutzen von Hydroxychloroquin gegen die Virenvermehrung haben - allerdings ohne die damit auftretenden Nebenwirkungen.

Die Wissenschaftler berechneten für ihre Studie die zur Virushemmung notwendigen Konzentrationen und verglichen diese mit der Menge an Chinin, die man nach der Einnahme im menschlichen Blutplasma findet. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass Chinin einen bis zu 20-fach höheren Plasmaspiegel im Vergleich zu Hydroxychloroquin erreicht. „Somit hat Chinin eine deutliche antivirale Wirkung gegen Sars-CoV-2, ein besseres Toxizitätsprofil in vitro und eine vorhersagbar bessere Plasmaverfügbarkeit im Vergleich zu Hydroxychloroquin und Chloroquin“, schreibt das Forscherteam in seiner Veröffentlichung. In ihrer Zusammenfassung schlagen sie folglich vor, dass Chinin eine breit anwendbare und günstige Therapieoption darstellen könnte, um bei Menschen mit einer milden Covid-19 Symptomatik schwere Krankheitsverläufe zu verhindern.

Vorerst heißt es aber abwarten auf weitere Studien, möglicherweise auch an erkrankten Menschen oder Tieren, nicht nur an Zellkulturen. Bis zur weiteren Bestätigung und Anerkennung der Wirksamkeit von Chinin gegen das Coronavirus als breite Behandlungsoption könnte noch einige Zeit vergehen. Das „Tonic Water“ (mit oder ohne Gin) sollte trotz seiner im Getränke-Vergleich recht hohen Chininmenge - laut Bayerischem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit durchschnittlich 71 Milligram pro 100 Milliliter - ohnehin eher ein Genussmittel bleiben.

>> Zur Originalpublikation: „Quinine Inhibits Infection of Human Cell Lines with SARS-CoV-2"

(red.)

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