Leitartikel

Eine Klage kann die Fehler der EU-Kommission nicht verschleiern

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FILES-BRITAIN-HEALTH-VIRUS-VACCINE-ASTRAZENECAAPA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Die Vorbereitung rechtlicher Schritte gegen AstraZeneca mag gerechtfertigt sein – doch auch Brüssel muss Kritik bei der Impfstoffbeschaffung einstecken.

Symbolische Gesten entfalten meist größere Wirkung als rationale Aufklärung – das weiß auch Angela Merkel. Ganz bewusst ließ sich die deutsche Kanzlerin deshalb vor wenigen Tagen ihre erste Teilimpfung mit dem schwer in Verruf geratenen Vakzin von AstraZeneca geben. Zum Beweis postete Kanzlersprecher Steffen Seibert wenig später ein Bild des Merkel-Impfpasses mit dem dazugehörigen Vaxzevria-Stempel. „Ich freue mich . . .“ schrieb er im Namen seiner Chefin darunter. Der Zweck der Aktion ist offensichtlich: das Vertrauen in den britisch-schwedischen Impfstoff wiederherzustellen, dessen Image in der europäischen Bevölkerung bis aufs Äußerste ramponiert ist.

„Puh, danke für die Nachricht! Ich hab ein bisschen Bammel vor meiner AZ-Impfung, da hilft es sehr, dass die Kanzlerin dem Impfstoff vertraut“, schrieb eine Leserin unter den Twitter-Eintrag. Wie ihr geht es Millionen Europäern, die für einen Termin mit besagtem Vakzin angemeldet sind. Der Grund ist bekannt: Einige wenige Geimpfte – das Risiko liegt bei lediglich 0,001 Prozent – entwickelten Tage nach dem Stich Hirnvenenthrombosen, die im schlimmsten Fall zum Tod führen können. Aus Angst lassen sich viele Menschen gar nicht mit dem Produkt impfen. Allein in Schweden landen täglich (!) Hunderte Vaxzevria-Dosen im Müll, hierzulande erscheint nur jeder Zweite zum Impftermin mit AstraZeneca.

Unabhängig von den möglichen schweren Nebenwirkungen – die bekanntermaßen auch den zweiten EU-weit zugelassenen Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson betreffen – hat die Zusammenarbeit der EU-Kommission mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern dem (guten) Ruf beider Seiten gehörig geschadet. Und das, obwohl alles so Erfolg versprechend begonnen hatte. Schon Ende Jänner gab die europäische Arzneimittelbehörde EMA grünes Licht für den in Oxford entwickelten Impfstoff, auf den viele EU-Länder bei der Bestellung große Hoffnungen gesetzt hatten: Er ist nicht nur billiger als die Hightechprodukte von Biontech-Pfizer und Moderna, sondern bekanntlich auch leichter in der Handhabung. Wenig später setzten jedoch dramatische Lieferschwierigkeiten ein, die bis zum heutigen Tag nicht behoben sind und die Impfpläne mehrerer EU-Länder zunichte machten – während die bestellten Dosen des Vakzins im Ex-Mitgliedsland Großbritannien pünktlich eintrafen und den dortigen großen Vorsprung beim Impfen erklären. Der Groll, der sich daraufhin bei den Regierungen in den EU-Hauptstädten breitmachte, ist nur allzu verständlich – und bei Weitem nicht unberechtigt. AstraZeneca hat alles getan, um sein Image in der EU zunichtezumachen: Niemanden scheint mehr zu interessieren, dass es sich bei seinem Produkt um einen hochwirksamen, meist gut verträglichen Impfstoff gegen Covid-19 handelt.

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