Am Sonntag geht die 93. Oscarverleihung über die Bühne – trotz Corona. Kaum einer der nominierten Filme lief bei uns im Kino, dafür kann man eine Handvoll davon streamen. Eine Auswahl.
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Sound of Metal
Drama über Gehörverlust
Zu sehen auf Amazon
Wer an den Filmen interessiert ist, die heuer für den Ober-Oscar in der Kategorie „Best Picture“ nominiert sind, hat es in Österreich nicht unbedingt leicht: Regulär im Kino lief bei uns kein einziger der nominierten Titel, online verfügbar sind nur drei. Einer zählt immerhin zu jenen vergleichsweise „kleinen“ Oscar-Produktionen, die man hierzulande anders vielleicht gar nicht zu Gesicht bekommen hätte: Darius Marders Spielfilmdebüt „Sound of Metal“. Das Drama handelt vom getriebenen Schlagzeuger eines Lärmpunk-Duos, der unvermittelt sein Gehör verliert – und sich mit einer neuen Lebenswirklichkeit zusammenraufen muss.
Der britische Shootingstar Riz Ahmed, der eigentlich schon seit 2006 von sich reden macht, tritt mit dieser emotional wuchtigen, gleichfalls Oscar-nominierten Glanzrolle erstmals in größeres Rampenlicht. Der Schematismus der Erzählung über den steinigen Weg der (Selbst-)Akzeptanz wird von seiner intensiven Performance abgefedert. Wie auch vom wendigen Sounddesign, das oft in die Wahrnehmungswelt der Hauptfigur zwischen dumpfem Dröhnen und seliger Stille abtaucht. Am Rand brilliert Paul Raci als Leiter einer Gehörlosengemeinschaft – und in einem Kurzauftritt auch Mathieu Amalric. (and)
Soul
Jazzige Reise durchs Jenseits
Zu sehen auf Disney+
Der Favorit unter den heuer nominierten Animationsfilmen, die Pixar-Komödie „Soul“, in der die Seele eines Jazzpianisten anfangs auf der Rolltreppe zum ewigen Licht und später im Körper einer Katze landet, besticht durch ihre bilderbuchartige Illustration metaphysischer Jenseitsvorstellungen – und durch ihren zärtlichen Humor. Eine ungeborene Seele (die erst aufhört, den Eintritt ins Dasein zu fürchten, als sie vorübergehend in den Leib des Musiklehrers schlüpft) hilft der Hauptfigur bei der Suche nach einem Weg zurück ins Leben. (mt)
My Octopus Teacher
Kraken-Doku mit Öko-Botschaft
Zu sehen auf Netflix
Während die heurigen Oscar-Hauptkategorien nicht wirklich mit Publikumsrennern aufwarten können, startet ausgerechnet im Dokumentarfilmbewerb ein veritabler Netflix-Schlager in der Pole-Position. „My Octopus Teacher“ erzählt das Märchen vom ausgebrannten Filmemacher, der beim Tauchen in Südafrika ein Krakenweibchen kennenlernt. Berührt von ihrem Überlebenswillen stellt er das anthropozentrische Weltbild infrage. Außerdem: Schöne Bilder! Der feuchte Traum aller Liebhaber erbaulicher Naturdokus. (and)
The Trial of the Chicago 7
Protokoll eines Polit-Prozesses
Zu sehen auf Netflix
Aaron Sorkins Gerichtssaal-Drama über eine Gruppe linker Polit-Aktivisten, die sich Ende der 1960er-Jahre als Rädelsführer einer Antikriegsdemo vor der Justiz verantworten müssen, gibt den Ablauf des Hexenprozesses mit protokollarischer Nüchternheit wieder. Die etwas maschinell wirkende Inszenierung wird durch die messerscharfen Dialoge aus dem Oscar-nominierten Drehbuch aufgewogen. (mt)
Pieces of a Woman
Intensives Passionsspiel
Zu sehen auf Netflix
Wenn es einen Oscar für die aufwühlendste Eröffnungsszene gäbe, wäre „Pieces of a Woman“ Favorit: In einer fast ungebrochenen Einstellung werden wir zu Beginn dieses Films Zeuge einer verunglückten Hausgeburt, vom hoffnungsvollen Anfang bis zum tragischen Ende. Allein für diese Gefühlsachterbahnfahrt hat Vanessa Kirby („The Crown“) ihre Schauspielnominierung verdient. (and)
Borat Anschluss Moviefilm
Rückkehr eines Provokateurs
Zu sehen auf Amazon
Sacha Baron Cohens zweiter Auftritt als kasachischer Reporter ist wieder als Tour durch die USA angelegt, diesmal unter Trump. Vom Original hebt er sich durch eine sensible Vater-Tochter-Geschichte ab. Bulgarin Marija Bakalowa glänzt als unterdrückte Bauerntochter in der Pubertät, deren Emanzipation Sexismus parodiert – aber auch als Melodram berührt. Nominiert für Drehbuch und Nebendarstellerin. (mt)
Mank
Biografie aus der Filmindustrie
Zu sehen auf Netflix
Ob die Academy ihren Fehler, „Citizen Kane“ 1942 mit nur einem Oscar abgespeist zu haben, durch einen Goldregen auf „Mank“ wiedergutmachen wird? Ein solcher käme jedenfalls einer symbolträchtigen Abgrenzung von rechten Gründervätern Hollywoods gleich, mit denen sich Herman J. Mankiewicz (Gary Oldman!) damals anlegte. Die Traumfabrikanten, die den Drehbuchautor zur Schöpfung des narzisstischen Zeitungsmoguls aus Orson Welles' Klassiker anregten, werfen selbst der heutigen Jury unbehagliche Spiegelbilder zurück. (mt)