Historisches Wohnen

Die neue alte Liebe zu Mauerwerk mit Geschichte

Sanierungsbedürftiges altes Mühlhaus in Wilfersdorf (NÖ).
Sanierungsbedürftiges altes Mühlhaus in Wilfersdorf (NÖ). [ Spiegelfeld Immobilien]
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Die wiederentdeckten Werte zeigen sich auch bei Immobilien.

Neben der neuen Popularität von Grünflächen und Arbeitszimmern hat das vergangene Jahr in Sachen Immobilien vor allem eines gebracht: eine Rückbesinnung auf Werte. Von Möbelstücken bis zu Baukörpern erfährt alles, was die Zeiten überdauern kann, eine neue Wertschätzung – Häuser und Wohnungen, die schon mehr als eine Pandemie und anderes Ungemach überstanden haben, rücken wieder stärker in den Fokus potenzieller Käufer.

Neue Rückbesinnung

Das gilt natürlich ganz besonders dann, wenn sich diese in dem neuerdings so hochgeschätzten Grünen befinden, wie Fridolin Angerer, bei Spiegelfeld Immobilien für den Bereich Forst, Jagd und Schlösser verantwortlich, berichtet. „Ländliche historische Objekte haben ihre ganz eigene Klientel – aber vor Corona waren sie eine Zeit lang weniger gesucht, weil das Leben am Land nicht so im Vordergrund stand und die Vorteile nicht so evident waren“, sagt der Makler. In dieser Zeit sei eher die Flexibilität geschätzt worden, z. B. ein Wochenende in London und das nächste in Barcelona zu verbringen, statt einen Landsitz zu besitzen. Jetzt nehmen diese laut Angerer aber deutlich an Popularität zu, weil die Vorteile derartiger Anwesen – etwa die großzügigeren Grundrisse, die ein weniger beengtes Leben und Arbeiten ermöglichen – wieder als größerer Wert angesehen werden. „Und weil man dort jene Freizeitaktivitäten, die noch erlaubt sind, ausüben kann“, fügt er hinzu.

Unterstützt wird diese Entwicklung vom Trend zum Home-Office, womit historische Anwesen, die auch etwas weiter entfernt von den Ballungszentren sind, attraktiver werden: „Da man nicht mehr jeden Tag ins Büro pendelt, darf auch die sonst so magische Entfernung von 55 Minuten durchaus überschritten werden“, weiß der Makler.
Bei der Auswahl des Gebäudes selbst kommt es dabei gar nicht so sehr darauf an, was es einmal war – ob Vierkanthof oder alte Mühle, ist den Käufern oft weniger wichtig als andere Attribute. „Die ursprüngliche Nutzung steht nicht so sehr im Vordergrund, vielmehr geht es um ein Mauerwerk, das 100 plus Jahre auf dem Buckel hat und vielleicht hohe Räume“, berichtet er, was bei dieser speziellen Klientel Emotionen auslöst.

Hauptsache geschichtsträchtig

Gefragte Klassiker: historische Villa im Einzugsbereich von Wien
Gefragte Klassiker: historische Villa im Einzugsbereich von Wien[ Hendrich[Real Estate, Kurz Immoblien]

„Das kann ein altes Forsthaus, ein Jägerhaus oder eine Mühle sein, es geht um die Geschichte und den Charakter, den ein solches Haus hat – und darum, dass es sich von der heutigen Architektur unterscheidet.“ Eigenschaften, für die man auch bereit ist zu zahlen, wobei die Frage immer ist, ob man das vorher oder nachher tut, wie der Makler betont: „Natürlich gibt es Objekte, die nur 155.000 Euro kosten – aber das ist dann nur die Eintrittskarte zum folgenden finanziellen Fiasko“, bringt er es auf den Punkt. Denn häufig liege der Kostenvoranschlag für die Sanierung dann bei 600.000 Euro – was wiederum auf das Gleiche hinausläuft wie ein fixfertig saniertes Anwesen. Ein solches ist außerhalb der Ballungszentren immer noch unter einer Million Euro, in einer hochwertigen Ausstattung aber selten unter einer halben Million zu haben.

Wenn die historische Substanz aus der Zeit der Jahrhundertwende stammt und als repräsentative Wohnstatt dienen soll, werden sofort ganz andere Summen fällig. Für historische Villen – vor allem, wenn sie in den Grünbezirken Wiens liegen – müsse man im Premiumsegment in guten Lagen zwischen fünf und 15 Millionen Euro investieren, je nachdem, ob die Sanierung schon erledigt ist oder noch ansteht. Alles darunter oder darüber seien eher Ausreißer, erklärt Evelyn Hendrich, Eigentümerin von Hendrich Real Estate. „Zumindest dann, wenn man den Begriff ,Villa‘ ernst nimmt.“ Historische Einfamilienhäuser gebe es dagegen schon ab drei Millionen. Die Obergrenze für diese Objekte ist laut Hendrich in Österreich bei 25 bis 30 Millionen Euro erreicht. Um diese zu erzielen, müssen die Häuser aber so gut wie alle Insignien aufweisen, die mit dem Leben in glanzvollen Jahrhundertwende-Objekten assoziiert werden.

Jahrhundertwendehaus in Salzburg.
Jahrhundertwendehaus in Salzburg. [ Hendrich[Real Estate, Kurz Immoblien]

Sichtachsen und schöne Stiegen

Dazu gehören als Grundausstattung die hohen Räume, Flügeltüren und Fischgrät- oder Sternparkett, und ein Grundriss, „der kein Winkelwerk ist, sondern großzügige Räumlichkeiten aufweist“, betont Hendrich. Extrapunkte gibt es für Grundrisse, die durch nebeneinanderliegende große Salons samt Flügeltüren die Möglichkeit bieten, großzügige Sichtachsen durch diese Räume zu schaffen. Zusätzliche Werte schaffen originale Details wie schmiedeeiserne Geländer oder schöne, ausladende Stiegenhäuser, Erker mit originalen Fensterläden oder gut erhaltene Fliesen. Gar nicht gut kommen dagegen laut Hendrich alle Arten von Zwischensanierungen, etwa aus den 1970er- oder 1980er-Jahren, an.

Abstriche und Pluspunkte

Manchmal muss man bei historischen Objekten aber ein paar Abstriche machen, wenn diese wirklich viel Geschichte atmen sollen. Ein Beispiel dafür sind viele Wohnungen in der Salzburger Altstadt, die bekanntlich wesentlich älter sind als die Wiener Zinshäuser und Palais – und nicht die entsprechende räumliche Großzügigkeit aufweisen können, wie Alexander Kurz, Inhaber der gleichnamigen Salzburger Realkanzlei, berichtet.
Viele stören sich an den recht niedrigen Raumhöhen und kleinen Fenstern, berichtet der Makler, und auch Außenflächen sind innerhalb der Altstadt kaum bis gar nicht möglich. Allerdings machen originale Kastenfenster, charmante offene Dachstühle mit mächtigen Balken, Stiegenhäuser mit alten Marmorböden oder Gewölbe im Erdgeschoß die Nachteile häufig wieder wett. Außerhalb der Altstadtmauern finden sich aber auch in Salzburg die klassischen Gründerzeit-Schönheiten, etwa im Andrä-Viertel auf der anderen Seite der Salzach oder die begehrten historischen Villen am Kai. Klar aber ist: Ob mittelalterlich oder aus der Jahrhundertwende, das Wohnen mit Geschichte hat auch hier seinen Preis. „In der Altstadt muss man mit gut 10.000 Euro pro Quadratmeter rechnen, dort haben wir erst kürzlich eine 115 Quadratmeter große Wohnung um 1,2 Millionen Euro verkauft. Für Häuser liegen die Preise deutlich darüber“, weiß Kurz. (SMA)

Auf einen Blick

Mit der Pandemie ist eine Rückbesinnung auf die – nicht nur monetären – Werte einhergegangen, die sich auch auf dem Markt mit historischen Objekten bemerkbar macht. Vor allem im ländlichen Raum ist diese neue alte Liebe zu Mühlen und Höfen spürbar, die sich nicht zuletzt aus dem Trend zum Home-Office speist. Gleichzeitig haben Bauwerke mit Historie in und um die Städte nichts an Attraktivität eingebüßt, selbst wenn sie ihren Preis haben.

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