Druck? Auf den Sog kommt es an!

Sogeffekt
SogeffektMarin Goleminov
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Agilität. Das Mindset ist die kritischste Komponente bei der agilen Transformation. Wie dieses Mindset aussehen kann, dazu spricht Ed Schein bei einer Online-Veranstaltung der FH Salzburg.

Schneller einen Markt bedienen können, schneller erkennen, ob es überhaupt einen Markt gibt. Rascher sehen, ob ein Angebot die Bedürfnisse trifft. Unmittelbarer auf veränderte Nachfrage reagieren. Und weniger interne Reibungsverluste erleben. Das sind nur einige Treiber, warum es in vielen Unternehmen den Wunsch gibt, auf agile Ansätze zu setzen und einen Transformationsprozess zu beginnen.

Was gerade als Hype die Runde macht, ist alles andere als neu. Schon in den vergangenen Jahrzehnten gab es zahlreiche Vorläufermodelle. Einer der Wegbereiter davor ist der 1928 in der Schweiz geborene und 1938 in die USA emigrierte Sozialwissenschaftler Edgar „Ed“ Schein. Er und sein Sohn Peter sind am 3. Mai virtuell an der FH Salzburg beim „3. Agilen Abend“ zu Gast, um über Unternehmenskultur und agile Transformation zu sprechen.

Ed und Peter Schein - virtuell in Salzburg zu Gast.
Ed und Peter Schein - virtuell in Salzburg zu Gast.www.ocli.org

Schein hatte früh erkannt, dass Führung und Kultur zwei Seiten derselben Medaille sind und Führung nur auf einer sehr persönlichen Beziehung funktionieren könne. Sie brauche Offenheit und Vertrauen. Vorurteilslose Führung, wie er sie nennt, sei aber nicht in erster Linie ein Ansatz oder ein Tool, sondern sie zeige eine Haltung, ein Mindset.

Unter den drei Komponenten agiler Transformation – Methode, Organisation, Mindset – sei letztere die kritische. Methoden wie Scrum (Projektmanagement), Design Thinking (Produktentwicklung) oder Kanban (Produktionsprozess-Steuerung) ließen sich vergleichsweise einfach erlernen. „Organisation: Kann man entwickeln“, sagt Herbert Gölzner, Fachbereichsleiter Human Resource Management & Leadership an der FH Salzburg. Das sei herausfordernd, weil Interessengruppen wie Eigentümer, Führungskräfte, Mitarbeiter, Betriebsrat, aber auch externe Stakeholder berührt würden. Was zwangsläufig zu Widerstand führe. Vor allem, weil „es das mittlere Management abschafft und zu einer Entwicklung in Richtung Führungsrollen führt“. Wer die Organisation verändere, verändere aber auch das Verhalten. Was die Hoffnung nähre, sich dem nötigen Mindset anzunähern: „Ohne funktioniert es nicht“, sagt Gölzner und zitiert den DM-Gründer Götz Werner: „Im Leben braucht man keinen Druck, sondern Sog. Wer fliegen möchte, braucht Thermik. Flugzeuge fliegen, weil Sog aufgebaut wird.“ Das heiße: Menschen einladen, statt sie zu zwingen. Das Gegenüber als Subjekt statt als Objekt zu sehen. Und ihm den Sinn und Zweck des Tuns zu vermitteln.

Auf einen Blick

Edgar und Peter Schein sind am 3. Mai beim „3. Agilen Abend“ der FH Salzburg virtuell zu Gast (Beginn: 18.30 Uhr). Die Sozialwissenschaftler und Autoren (zuletzt: „Humble Inquiry“) diskutieren bei der Online-Veranstaltung Fragen zur Unternehmenskultur und entwickeln Ableitungen zur agilen Transformation von Organisationen. Anmeldung bis 2. Mai.

Für Führungskräfte bedeute es, nicht zu kontrollieren, sondern sich um Wertschöpfungsbeiträge aller Beteiligten zu kümmern. Denn in den meisten Fällen habe man es mit einer komplexen Umwelt zu tun. Und in ihr versage zentrale Steuerung. Daher müsse man weg vom Funktions- hin zum Rollenverständnis, was bedeute, dass unterschiedliche Menschen zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Rollen übernehmen.

Hybrid organisieren

Als wäre das nicht anspruchsvoll genug, gibt es weiter Hürden bei der agilen Transformation: Den Widerstand der Führungskräfte nennt Gölzner ebenso wie mangelnde Unterstützung durch das Management und die Verweigerung der Mitarbeiter, die mehr Verantwortung übernehmen sollen, das aber nicht wollen.

Aber, räumt Gölzner ein, es müssten nicht 100 Prozent Agilität sein. Auch die hybride Organisation funktioniere, und man könne agil agieren, ohne das gesamte Unternehmen sofort umstellen zu müssen.

Herbert Gölzner, Head of Human Resource Management & Leadership der Fachhochschule Salzburg
Herbert Gölzner, Head of Human Resource Management & Leadership der Fachhochschule SalzburgGölzner

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2021)

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