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Nach dem EU-Beitritt stürmten Osteuropäer den Arbeitsmarkt

Baubranche: Kontrollen und Strafen wegen Lohn- und Sozialdumpings sollen verschärft werden
Baubranche: Kontrollen und Strafen wegen Lohn- und Sozialdumpings sollen verschärft werden(c) imago images/Volker Preu�er (Volker Preusser via www.imago-images.de)
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Die Erwartungen für den Zustrom in den Arbeitsmarkt wurden weit übertroffen. Die Gewerkschaft will höhere Strafen wegen Lohndumpings.

Wien. Österreich hat sich seit jeher geziert, seinen Arbeitsmarkt für neue EU-Bürger zu öffnen. Die Übergangsfristen – maximal sieben Jahre – wurden nach der EU-Osterweiterung voll ausgeschöpft. 2004 traten zehn neue EU-Länder, darunter Ungarn und Tschechien, der EU bei. 2007 dann auch Rumänien und Bulgarien. Ab jeweils sieben Jahren später hatten die neuen EU-Bürger durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit das Recht, wie Inländer in allen EU-Ländern zu arbeiten. Dass die Fristen voll ausgeschöpft wurden, passierte auch auf Druck der Gewerkschaften, die Lohndumping fürchteten.

Zehn Jahre nach der Arbeitsmarktöffnung zeigt sich: Die Freizügigkeit wurde von den neuen EU-Bürgern deutlich mehr in Anspruch genommen, als erwartet. Im vergangenen Jahr gingen 777.284 Personen aus dem Ausland in Österreich einer Beschäftigung nach. Die größte Gruppe darunter waren deutsche Staatsbürger mit 104.436 Personen. Im Jahresdurchschnitt waren 323.750 Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedsländern in Österreich beschäftigt.

Entsendungen legten kräftig zu

Von diesen 323.750 stammten 211.742 aus den Staaten, die in der Erweiterungsrunde im Jahr 2004 neu zur Europäischen Union kamen. Das waren neben Ungarn und Tschechien Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien und Zypern. Darüber hinaus kamen 90.685 aller ausländischen Arbeitskräfte in Österreich aus Bulgarien, Rumänien und Kroatien. Kroatien ist seit 2013 Mitglied der EU. Die Zahlen stammen aus einer aktuellen Studie, mit der Arbeiterkammer und Gewerkschaft die L&R Sozialforschung beauftragt haben.

Damit wurden die Erwartungen bei Weitem übertroffen. Die Arbeiterkammer spricht von Schätzungen aus den späten 1990er-Jahren, die von 200.000 Personen ausgingen, die ihre Heimatländer Richtung Österreich verlassen würden. Wie die Zahlen zeigen, wurden es deutlich mehr.

Noch nicht enthalten sind die grenzüberschreitenden Entsendungen. In keinem anderen EU-Land ist die Zahl der vornehmlich aus den östlichen EU-Ländern entsandten Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren so stark angestiegen wie in Österreich. Diese Menschen arbeiten in Österreich, sei es als Maurer oder Elektriker, leben aber weiterhin im Ausland. 2011 wurden in Österreich rund 70.000 Entsendungen gemeldet. Zwischen 2014 und 2019 stieg die Zahl (ohne Transportbereich) von 122.000 auf 211.500. Das war ein Zuwachs von 73 Prozent. 2020 kam es dann, bedingt durch die Coronapandemie, zu einem Rückgang.

Kritik an neuem Anti-Dumping-Gesetz

Betroffen ist in Österreich vor allem die Baubranche. Die zuständige Gewerkschaft will deshalb, dass die Kontrollen und Strafen wegen Lohn- und Sozialdumpings verschärft werden. Seit 2011 habe es 8900 rechtskräftige Entscheidungen gegeben. Gut die Hälfte betrafen das Nichtbereithalten bzw. die Verweigerung der Einsichtnahme in die Lohnunterlagen. Anfang der Woche wurde eine Novelle zum „Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz“ in Begutachtung geschickt. Die Regierung will damit „unfairen Wettbewerb durch Lohn- und Sozialdumping“ bekämpfen. Das neue Gesetz werde Sozialdumping nicht verhindern, sondern sogar befördern, sagte AK-Präsidentin Renate Anderl. Denn die vorgesehenen Strafen seien nicht hoch genug, um schwarze Schafe vor Verstößen abzuschrecken.

Laut AK liegt das durchschnittliche Einkommen in Industrie und Bau in Ungarn bei nur 29,9 Prozent des Einkommens in Österreich. In Polen seien es 33,2 Prozent, in Slowenien 50,4 Prozent. Die Lohnunterschiede seien nach wie vor der entscheidende „Push-Faktor“ für Entsendungen. (hie)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2021)

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