Die stolzen Gitanos: Mit Flamenco gegen das Elend

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stolzen Gitanos Flamenco gegen(c) REUTERS (JAVIER BARBANCHO)
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In kaum einem Land sind Roma so integriert, sie prägten gar die Nationalkultur. Die spanische Regierung hat sich aktiv um die Integration der Minderheit gekümmert und stand dieser auch finanziell zur Seite.

Ich bin stolz, eine Gitana zu sein“, sagt Sandra Heredia, eine junge Roma-Frau in der südspanischen Stadt Sevilla. Sie streicht sich selbstbewusst durchs lang gelockte dunkelbraune Haar. Sevilla und die umliegende Region Andalusiens sind so etwas wie das gelobte Land der rund 700.000 in Spanien lebenden Roma, auf Spanisch „Gitanos“ genannt.

Gut die Hälfte von ihnen lebt in Andalusien, der Wiege der Roma-Flamenco-Musik, die ein Markenzeichen Spaniens wurde. Jeder zwanzigste Andalusier ist Gitano, eine lange verfolgte und oft heute noch benachteiligte Minderheit, die aber das Bild Spaniens wie keine andere Volksgruppe prägte. Und die stets versuchte, mit dem Flamenco ihr Elend zu vergessen.

Eine ganz normale Spanierin

Sandra entspricht nicht den Vorurteilen, die viele in Hinsicht auf Roma haben. Sandra bettelt nicht, ist integriert, hat einen festen Job. Sie ist gebildet, engagiert, emanzipiert, modisch gekleidet, lebt in einer hübschen Wohnung. Eine normale Spanierin eben. Die junge Frau ist eine der wenigen Gitanos, die studiert haben. Nur ein Prozent von ihnen kommen an die Uni. Sandra hat Betriebswirtschaft studiert und kämpft als Beraterin einer Roma-Organisation gegen Diskriminierung und für die Rechte ihres Volkes. Die Massenausweisung von Roma in Frankreich entsetzte sie. Sie demonstrierte mit einer spanischen Gitano-Delegation in Paris gegen die „staatliche Fremdenfeindlichkeit“.

„Wir haben ziemliche Akzeptanz“

In Spanien sind Gitanos viel stärker in der Gesellschaft verwurzelt als etwa in Frankreich – dank einer Politik, die ihre Integration betrieben, Millionen in Hilfen für die Minderheit investiert und Spanien zu einem europäischen Modell bei ihrer Förderung gemacht hat.

„Wir haben ziemlich gute Akzeptanz in Spanien erreicht“, sagt Juan de Dios Ramírez, Präsident der spanischen Roma-Union. Aber das dürfe nicht über Probleme hinwegtäuschen: „Wir haben die höchste Analphabeten-Rate, die höchste Arbeitslosigkeit, tausende Familien leben in Slums.“ Die meisten Spanier hätten zwar nicht mehr wie früher Vorurteile. „Aber es gibt auch noch Rassismus.“ Nur ein kleiner Teil der Gitanos lebt noch ohne Dach überm Kopf oder wird straffällig – doch das sind jene, die Vorurteile nähren. Anders sieht das mit nichtspanischen Roma aus, die in den letzten Jahren meist aus Osteuropa zugewandert sind, und deren Zahl in Spanien auf 50.000 geschätzt wird. Sie fliehen vor Diskriminierung und Elend, die meisten aus Rumänien, und suchen mit begrenztem Erfolg ihr Glück auf der iberischen Halbinsel. Doch sie haben es, wie alle Immigranten, schwerer, Arbeit, Auskommen und Anerkennung zu finden.

„Ausweisung ist keine Lösung“

Spaniens Staatssekretärin für Einwanderung, Anna Terron, will auch diese Herausforderung annehmen. Sie kritisiert die Roma-Ausweisungen durch Frankreichs Staatschef Sarkozy als Medientheater, das „keine Lösung“ für die komplexen Probleme sei. Spanien werde dem Beispiel nicht folgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2010)

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