Der ORF wird die Bänder zur umstrittenen Skinhead-Reportage herausgeben, um Strafzahlungen zu vermeiden. ORF-Informationsdirektor Elmar Oberhauser wäre aber bereit, für die Pressefreiheit ins Gefängnis zu gehen.
Wiewohl der ORF die Bänder zu einem Dreh von einer "Am Schauplatz"-Folge über zwei Skinheads herausgeben wird, wäre Informationsdirektor Elmar Oberhauser bereit, für die Pressefreiheit in Beugehaft zu gehen. Das sei aber nicht zur Debatte gestanden, weil dem ORF bei Nichtherausgabe Geldstrafen in beträchtlicher Höhe gedroht hätten, sagte Oberhauser bei einem "Runden Tisch" zum Thema Pressefreiheit am Freitagabend.
Herausgabe nicht feige
Oberhauser verwahrte sich gegen Kritik, es sei feige, die Bänder herauszugeben. "Ich bin gerne bereit, für den Erhalt der Meinungsfreiheit ins Gefängnis zu gehen", so der Informationsdirektor. Man könne aber nicht Gebührengelder für Strafzahlungen aufs Spiel setzen. Für seine Bereitschaft, auch Haft nicht zu scheuen, setzte es eine hämische Seitenbemerkung von Journalistengewerkschafter Franz C. Bauer: "Ich bringe dir dann gern das Getränk vom Do&Co", spöttelte Bauer, der sich dafür aussprach, die Bänder einzubehalten. Hier gelte es, kreative Möglichkeiten zu finden, sagte er.
"An den Grundfesten der Republik angefahren"
Die Leiterin der Wiener Staatsanwaltschaft, Maria-Luise Nittel, die vom Justizministerium zu der Diskussionsrunde entsandt worden war, verwies darauf, zum Fall gar nichts sagen zu dürfen, weil ihre Behörde nicht zuständig sei. Oberhauser dazu: "Wo ist denn die Frau Minister?" Mit dem Oberlandesgerichts-Urteil, wonach der ORF die Bänder zu dem "Am Schauplatz"-Dreh herausgeben müsse, sei "an den Grundfesten der Republik angefahren worden", befand er.
Bordell-Reportage - Pornofilm-Unterstellung?
Oberhauser unterstellte dem OLG Ahnungslosigkeit, wie Sendungen zustande kommen. "Wenn das hält, und die 'Am Schauplatz'-Redaktion kommt auf die Idee, eine Reportage über ein Bordell zu machen, unterstellt uns der nächste Dreier-Senat, wir würden einen Pornofilm drehen."
Ostermayer: Redaktionsgeheimnis präzisieren
"Aktuelle Fälle zeigen, dass das Bewusstsein um die demokratische Bedeutung der durch Medien wahrgenommenen Funktion geschärft werden und die Regelung des Redaktionsgeheimnisses präzisiert werden muss", erklärte SPÖ-Medienstaatssekretär Josef Ostermayer nach der Sendung und fügte hinzu: "Eine fundierte Diskussion über notwendige Verbesserungen sollte umgehend begonnen werden."
Der Staatssekretär betonte zugleich: "Presse- und Medienfreiheit sowie das Redaktionsgeheimnis sind Grundpfeiler einer funktionierenden Demokratie und unseres Rechtsstaates. Das Redaktionsgeheimnis bildet dabei ein Kernstück für die demokratische Kontrollaufgabe der Medien."
Justizministerin zu Gesprächen bereit
ÖVP-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner will sich Ostermayers Wunsch nicht verschließen. Man könne sich gerne zum Thema Medienrecht zusammensetzen, hieß es am Samstag aus Bandion-Ortners Büro: "Verbesserungen sind immer möglich und willkommen", meinte ihre Sprecherin. Zuletzt hatte die Ministerin keine Notwendigkeit für Reformen gesehen.
Medienfreiheit und Meinungsfreiheit seien "Grundvoraussetzungen einer transparenten und offenen Gesellschaft", so die Sprecherin, Journalisten müssten "ihre Aufgabe als vierte Gewalt für Berichterstattung über staatliches Handeln ungehindert ausüben können". Doch auch die schreibende Zunft sei gefordert, es müsse "klar sein, dass nicht nur Behörden in ihrem gesetzlichen Handeln große Verantwortung tragen, sondern auch Journalisten".
Gerichtliche Entscheidungen müssen gelten
Im Hinblick auf die beiden Anlassfälle der Pressefreiheits-Debatte - die Beschlagnahmung der Skinhead-Aufnahmen des ORF und die Vernehmung von drei Journalisten als Beschuldigte - hielt Bandion-Ortners Sprecherin indes fest: "Gerichtliche Entscheidungen und österreichische Gesetze müssen für alle gelten." In jeglicher Debatte über den Medienrechts-Komplex gelte es "eben drei Eckpfeiler miteinander zu verbinden: Die Pressefreiheit, zu berichten, den Schutz der Persönlichkeitsrechte für die Bürger und die unabdingbare Aufgabe des Staates, Straftaten aufzuklären und zu ahnden."
Erfreut über Einsicht des Staatsanwalts
Ostermayer zeigte sich erfreut über die Fehlereinsicht der Staatsanwaltschaft Wien im aktuellen Zusammenhang mit erfolgten Einvernahmen von Journalisten sowie die öffentliche Zusage diese unrechtsmäßigen Einvernahmeergebnisse zu vernichten.
Auslöser der Debatte sind einerseits die rechtswidrigen Einvernahmen von Journalisten des Nachrichtenmagazins "profil", die in ihrer Berichterstattung zur Hypo Alpe Adria Bank aus deutschen Gerichtsakten zitiert hatten, andererseits die vom Wiener Oberlandesgericht (OLG) durchgesetzte Herausgabe von Rohmaterial eines ORF-Drehs für die Reportagereihe "Am Schauplatz"
(APA)